Selbstversuch

Fliegen ohne Fallschirm: Erlebnisse im Viernheimer Windkanal

Von 
Bernhard Zinke
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Reporter Bernhard Zinke testet die neue Skydiving-Anlage in Viernheim. Instruktorin Tayla Lima gibt Hilfestellung. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Am Ende zeigt Layla, was wirklich geht ist in dieser Glasröhre. Scheinbar schwerelos schwebt sie durch die Luft, steigt fast sechs Meter in die Höhe, sinkt langsam herab, dreht ein paar Pirouetten und gleitet dann sanft in Richtung Ausstieg. Was kinderleicht aussieht, ist perfekte Körperbeherrschung - und das Ergebnis harter Arbeit. Der Autor dieser Zeilen hat einen Selbstversuch unternommen und sich in den Windkanal des neu eröffneten Indoor Skydiving-Centers in Viernheim gestürzt: Ein Erlebnis, das einem schlicht den Atem nimmt - im doppelten Wortsinn.

Lydia Zobel vom Team der Einrichtung, die auch in Bottrop eine solche Anlage betreibt, rät im Vorgespräch, dass zehn Minuten für den Selbstversuch vollkommen ausreichen. So kurz? Das ist der erste Impuls, der dem Unbedarften und Ahnungslosen durch den Kopf schießt. So lange? Das ist der Gedanke nach dem ersten, gefühlt ziemlich kläglich verlaufenen Flugversuch. Und der hat nicht viel mehr als eine Minute gedauert.

Viernheim

Wie im freien Fall: Skydiving-Anlage in Betrieb

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Angeboten werden die Flüge in dem Viernheimer Tunnel in einer Länge von einer Minute. Etwa so lange ist auch ein echter Fallschirmspringer im freien Fall aus einer Höhe von 4000 Metern unterwegs, bevor er die Reißleine zieht. Tayla ist meine Instruktorin. Die junge Brasilianerin ist Fallschirmspringerin und seit drei Jahren auch im Windkanal unterwegs. Zwei Jahre hat sie als Instruktorin in Abu Dhabi gearbeitet und jetzt in Deutschland bei der Indoor Skydiving Germany Group angeheuert.

Tayla spielt ein kurzes Erklärvideo vor mit Anleitungen, wie sich der Anfänger im Windkanal bewegen sollte. Weil der Wind einem mit 180 Sachen um die Ohren bläst, ist eine Verständigung mit Worten nicht möglich. Also wird Zeichensprache vereinbart. Ausgetreckter Zeige- und Mittelfinger bedeutet: Beine strecken. Winkelt Tayla beide Finger an, gilt es, auch die Beine anzuwinkeln. Ein erhobener Zeigefinger bedeutet: Kopf anheben. Die Armhaltung wird die Instruktorin im Windkanal immer wieder direkt korrigieren.

Erstmal bleibt die Luft weg

Zuvor gibt’s einen Spezial-Overall, der über die Alltagsklamotten gestreift wird, ein Plastikschild zum Schutz der Augen und einen Helm. Derart ausstaffiert, geht es durch die Schleuse zum Einstieg in den Tunnel. Von unten blasen nun Ventilatoren mit steigender Intensität Luft in den konisch geformten Glastrichter. Mindestens 180 Stundenkilometer schafft die Anlage. Profis toben bei Windgeschwindigkeiten von Tempo 250 im Kanal herum.

Abheben im Windkanal

  • Seit Mitte November hat die erste Indoor-Skydiving-Anlage in Viernheim geöffnet. Es ist die erste Anlage in der Metropolregion.
  • In einen Glastunnel pusten große Ventilatoren mit Geschwindigkeiten von 180 bis 250 Stundenkilometern.
  • Damit wird der freie Fall während eines Fallschirmsprungs simuliert.
  • Der freie Fall beim Sprung aus 4000 Metern Höhe dauert weniger als 60 Sekunden. Deshalb werden auch in der Anlage in der Regel Flüge in Minuten gebucht.
  • Möglich sind Flüge bereits für Kinder ab vier Jahren.
  • Infos und Preise unter www.indoor-skydiving.de. bjz
 

An der Tür zeigt Tayla, wie der Einstieg funktioniert: Die Hände rautenförmig über den Kopf, mit ausgestreckten Handflächen nach vorne fallen lassen. Ich lasse mich nach vorne fallen - und vergesse alles. Leider auch das, was Tayla wenige Minuten zuvor im Trockenkurs erklärt hat. Der Sturm nimmt einem gefühlt die Luft zum Atmen. Aber irgendwie bleibt der Körper in der Luft. Wirklich kontrollieren kann ich meine Bewegungen aber nicht. Tayla schnappt mich immer wieder, bringt mich in die Mitte des Tunnels. Ein paar Sekunden schwebe ich, bevor ich erneut unkontrolliert in Richtung Glasscheibe treibe. Aber Tayla passt gut auf, bleibt aufrecht stehen im Windkanal und ist schnell zur Stelle.

Nach einer Minute fix und fertig

Nach ein paar Sekunden kehrt die Erinnerung zurück. Ach ja, die zwei Finger: Beine ausstrecken, dann anwinkeln. Kopf nach oben. Als Lohn gibt’s ein freundliches Lächeln und den erhobenen Daumen von Tayla. Nach etwas mehr als einer Minute bin ich fix und fertig, spüre Muskeln, die ich noch nie gespürt habe. Körperspannung ist anstrengend.

Kurze Pause, dann strecke ich die Nase noch mal in den Wind. Es geht schon ein Stückchen besser. Aber von kontrollierten Bewegungen kann noch immer keine Rede sein. Tayla ist indessen zufrieden. Nach dem zweiten Flug strahlt sie mich an: „Das war doch super“. Als sie nach einem dritten Flug fragt, winke ich erschöpft ab. Körperspannung habe ich knapp vier Minuten erstmal genug gehabt.

Aber die Saat ist gesät. Das Flugdiplom, das ich zum Schluss erhalte, attestiert mir, dass ich die Flugeinweisung erhalten habe, vom Instruktor assistiert geflogen bin und auch freischwebend im Windtunnel unterwegs war - wenn auch nur für Sekunden. Es gibt weitere Kästchen, die noch nicht abgehakt sind: „Kann Drehungen fliegen“, „kann nach oben und unten fliegen“ bis zu „fliegt sicher dreidimensional“, so heißen die Herausforderungen auf dem Weg zum „Proflyer“. Der Ehrgeiz ist schon mal geweckt.

Die Indoor Skydiving-Anlage werde nicht nur von Anfängern für ein besonderes Freizeitvergnügen ausprobiert, erklärt Lydia Zobel. Zu den Kunden zählten auch Fallschirmspringer, die im Winter trainieren oder sich auf Lizenz-Prüfungen vorbereiten wollen. Der Vorteil des Tunnels: Es muss kein Flugzeug gechartert werden, kein Fallschirm gepackt.

Die Indoor-Skydiving-Anlage ist einzigartig in der Region. Die nächsten Windkanäle stehen in Bottrop und München. Der Traum vom Fliegen - er wird jetzt auch in der Metropolregion wahr.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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