Nicht nur der intensive Duft von Mimosen, auch große Aufregung liegt in der Luft. Am frühen Morgen wurden schließlich Berge an knallgelben Blüten geliefert und nun sind alle Helferinnen und Helfer im großen Zelt damit beschäftigt, im Galopp ein halbes Dutzend Festwagen damit zu dekorieren. Überall werden Zweige festgesteckt, damit die Wagen mit den bunten Pappmascheefiguren später bei einem Umzug durch die Straßen gezogen werden können.
Es ist der Höhepunkt der jährlichen Fête du Mimosa, bei der die gelbe Pracht der Mimosen in der Küstenstadt Mandelieu-la-Napoule gefeiert wird – und längst nicht nur dort. Wenn zwischen Januar und März die Bäume an der Côte d’Azur und im Hinterland blühen, wird das entlang der „Route du Mimosa“ auf unterschiedlichste Weise zelebriert: von der Wanderung durch Mimosen-Wälder bis hin zu Schokoladenproben. Die Mimosen liefern dabei den Anlass für eine etwas andere Winterflucht.
Schließlich kratzen die Temperaturen zu der Zeit schon an der 20-Grad-Marke und sorgen für frühe Frühlingsstimmung. Die Pracht der gelben Blüten verstärkt dieses Gefühl - erstrahlen sie doch stimmungsaufhellend wie blühender Sonnenschein, wenn im ungemütlichen Winter in Deutschland die ersten Knospen noch auf sich warten lassen.
Gefeiert wird dabei allerdings auch eine Baum-Art, die es Mitte des 19. Jahrhunderts in der Gegend noch gar nicht gab. James Cook soll die Silberakazie einst aus Australien nach Europa gebracht haben, weil die Blüten, die sich aus 30 bis 40 feinen, gelben Bällchen zusammensetzen, aussehen wie blühender Sonnenschein. Durch die Engländer wiederum landeten sie vor etwas mehr als 150 Jahren in Südfrankreich, wo sie den sanften Winter über sehr gut wachsen.
Das ist unübersehbar, wenn man auf einem Roadtrip der Mimosen-Route folgt. Auf rund 130 Kilometern führt sie durch die Provence von Bormes-les-Mimosas bis in die Parfümstadt Grasse, und damit durch eine touristisch äußerst beliebte Gegend. Normalerweise verbindet man sie mit Jetset-Glamour, Roséwein und Sommerurlaub. Außerhalb der Saison ist sie längst nicht so überlaufen von Touristenscharen und die langen Strände hat man mitunter fast für sich allein - auch wenn Baden zu der Jahreszeit nur etwas für wirklich Hartgesottene ist.
Zum Start in Bormes-les-Mimosas schlendert man durch ein mittelalterliches Gassenlabyrinth, das sich mit viel provenzalischem Flair an einem Hang hochzieht. Das Dorf trägt die Mimose seit 1961 als Zusatz im Namen, die hier und da gelbe Tupfer in den Straßen, Gassen und Gärten setzt. Man ahnt bereits, dass es unterschiedliche Sorten geben muss. Wie viele es wirklich sind, darüber verschafft Lenny Basso in der Domaine de Rayol auf Kilometer 15 der Mimosen-Route Klarheit: „Rund 1200 Mimosen-Arten gibt es insgesamt“, erklärt der Pflanzenspezialist. Allein 40 Arten entdeckt man in der Domaine, einem botanischen Park in Rayol-Canadel-sur-Mer, der Gärten aus mediterranen Klimata weltweit in einer Anlage vereint. Allerdings bringt sie auch Probleme mit sich. Denn die Mimose, so Lenny, sei invasiv. „Sie wächst schnell und wenn sie weggeschnitten wird, kommt sie zurück und verdrängt andere Pflanzen.“ Sie sei wie eine Femme fatale. „Sehr schön, aber auch gefährlich, sogar tödlich.“ Für Menschen allerdings sei sie einfach nur schön anzusehen.
Dass die Blüten darüber hinaus auch kulinarisch sehr vielseitig verarbeitet werden, sieht man etwas weiter im Urlaubsort Sainte-Maxime, wo sich die langen Strände, der Hafen mit den Jachten und das Zentrum mit vielen Belle-Époque-Gebäuden im Winterschlummer befinden. Dort stellt Anthony Sigaudo zu dieser Zeit in seiner Manufaktur La Muscadine neben feinen Pralinen auch Mimosen-Schokolade her. In Saint-Raphaël, noch einem winterdösigen Mittelmeer-Urlaubsstädtchen, hat Arnaud Schmitd in seinem Feinkostladen Taste Gourmet sogar ein ganzes Tasting vorbereitet. Der Tisch ist geschmackvoll und sehr fotogen gedeckt. Umgeben von einer appetitanregenden Auswahl an Weinen, Champagner und allerlei exquisiten Spezialitäten probiert man sich durch ganz unterschiedliche Mimosen-Produkte. Süßer Sirup, köstliche Madeleines und feines Confit zum würzigen Käse.
Nach Saint-Raphaël ist zur Abwechslung mal die Küstenstraße der unangefochtene Star der Tour - auf dem Traumstück der Corniche d’Or. Rechts das tiefe Blau des Mittelmeers, links die marsroten Felsen des Esterel-Gebirges. Und zwischendurch, wenn man nicht ohnehin einen Wander-Abstecher unternimmt, immer wieder Möglichkeiten zum Anhalten und Genießen. Bei Kilometer 108 der Mimosen-Route landet man dann schließlich im Küstenort Mandelieu-la-Napoule. Dort, wo sonst das imposante Château de la Napoule die Blicke auf sich zieht, sind an diesem Tag alle im Umzugsfieber. In einem unterhaltsamen Taumel ziehen Artisten, Spielmannszüge und originell dekorierte Wagen vorbei an Zuschauertribünen an der Meerespromenade. Schon währenddessen werden blühende Mimosen-Zweige in die Menge geworfen. Als das Spektakel vorbei ist, werden die Wagen aber von den Einheimischen regelrecht geplündert. An den Bäumen allerdings sorgen sie noch ein paar Wochen länger für den ersten Frühlingshoffnungsschimmer.
Ohnehin lässt sich die Pracht am besten wandernd erkunden. Äußerst beliebt ist in dieser Hinsicht Tanneron, eine halbe Autostunde nördlich von Mandelieu. Das Dorf ist während der Blüte völlig im Mimosen-Ausnahmezustand. Das Rathaus ist mit Mimosen geschmückt. Eine mit Mimosen behangene Pferdefigur steht gleich daneben. Und an Verkaufsständen an der Straße werden Mimosen-Produkte angeboten - von Seife bis Gelee. Der Ortskern ist auch der Ausgangspunkt für die Wanderung durch den wohl größten Mimosen-Wald Europas. Auf einem gut ausgebauten Rundweg spaziert man vier Kilometer hügelig auf und ab, während sich entlang des Weges immer wieder Aussichten eröffnen und man von Silberakazien förmlich umzingelt ist: Wolken aus Gelb im herrlichen Kontrast zum Grün drum herum und dem wolkenlosen Wintersonnenhimmel.
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