Literatur

Teil 9 der „Babylon Berlin“-Buchvorlage erschienen

Volker Kutscher schreibt mit "Transatlantik" seine erfolgreiche Roman-Serie und Filmvorlage über Gereon Rath fort. Der neunte Band überzeugt jedoch nur wenig

Von 
Frank Dietschreit
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Hat seine Gereon-Rath-Serie fortgesetzt: Volker Kutscher. © Kalaene/dpa

Mannheim. „Babylon Berlin“ und kein Ende: Derzeit läuft die vierte Staffel der TV-Serie, die sich zum Quotenhit entwickelt hat und in 140 Ländern ausgestrahlt wird. Für Nachschub sorgt Volker Kutscher mit seiner auf 10 Bände angelegten Roman-Serie über Kommissar Gereon Rath. Während die Verfilmung bei Band drei („Goldstein“) der literarischen Vorlage angekommen ist, erscheint jetzt schon Band neun der Rath-Romane: „Transatlantik“.

1937: Die Weimarer Republik ist längst beerdigt, der Tanz auf dem Vulkan vorbei, der Rausch verflogen, der Sündenpfuhl ausgetrocknet, aber die meisten Figuren, die wir aus den TV-Staffeln und Romanen kennen, sind noch dabei: Natürlich auch Charlotte Ritter und Gereon Rath, sie sind inzwischen verheiratet, oder besser: sie waren es, denn Charly, die bei der Polizei gekündigt hat und in einem Berliner Detektivbüro arbeitet, ist, zumindest auf dem Papier, zur Witwe geworden. Ihr Gatte hat in Band acht („Olympia“) seinen eigenen Tod filmreif inszeniert, ist nach einem Schusswechsel in die Spree gefallen; nur wenige Eingeweihte wissen, dass er noch lebt. Doch seine Identität als Mitarbeiter eines Wiesbadener Weinkontors droht aufzufliegen, ein Nazi-Spion erkennt ihn, auch eine alte Bekannte aus dem kriminellen Milieu kommt ihm zu nah. Also setzt er sich nach New York ab, nicht mit irgendeinem Schiff oder Flugzeug, sondern mit der legendären „Hindenburg“, dem Zeppelin, der bei der Landung in Lakehurst in Flammen aufging: Das ikonische Foto der Katastrophe prangt auf dem Cover des Buches.

„Transatlantik“ sprachlich wenig reizvoll

Rath wird das Inferno überleben. Was er dann in New York treibt, ob es ihn wieder nach Berlin zurückzieht: kein Kommentar. Charly muss derweil in Berlin das Verschwinden ihrer besten Freundin, die ein Verhältnis mit einem Nazi unterhielt, der ermordet aufgefunden wurde, enträtseln. Außerdem muss sie ihren Ziehsohn Fritz aus dem Joch einer Pflege-Familie befreien, die ihre Kinder nach strammen nationalsozialistischen Regeln erzieht. Die Verquickung von Politik und Kriminalität ist spannend konstruiert, aber sprachlich wenig reizvoll: überall Gemeinplätze, Kalendersprüche und Wiederholungen. Die Figuren: eindimensionale Abziehbilder, die Nazis entweder tumb oder gewalttätig. Sie sprechen in ideologisch verkleisterten Worthülsen oder kaschieren ihre Machtfülle mit kindlichem Spieltrieb, wie Hermann Göring, der in „Carinhall“ residiert und seinen faschistischen Freunden mit glänzenden Augen seine Spielzeug-Eisenbahn vorführt.

Immer wieder greift Kutscher in seinen Zettelkasten, in dem alles vermerkt ist, was er in Archiven gefunden hat: Wenn Charly sich eine Zigarette anzündet, ist es eine „Juno“, Rath raucht „Overstolz“. Jeder Straßenname stimmt, die Kleidung entspricht damaliger Mode. Wir erfahren viele Details, werden mit Marken-Namen und Polit-Phrasen zugeschüttet, manchmal hat man das Gefühl, durch ein Museum der Alltagskultur zu stolpern. Aber über das Ausmaß des nationalsozialistischen Terrors, Rassismus und Antisemitismus und den Opportunismus der Bevölkerung erfahren wir fast nichts.

Volker Kutscher: „Transatlantik“. Piper, 592 S., 26 Euro

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