In der Romantrilogie der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels von 2021, der simbabwischen Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga, steht immer eine weibliche Hauptfigur namens Tambudzai im Mittelpunkt.
Im Debütroman „Aufbrechen“ darf sie unvorhergesehen zur Schule gehen. Der folgende Roman „Verleugnen“ schildert Tambudzais Jahre am College während der Zeit des Unabhängigkeitskriegs in dem südafrikanischen Land. Und der letzte Teil „Überleben“ handelt von der schweren seelischen Krise Tambudzais, weil sie wieder und wieder wahrhaben muss, dass ihre Kolleginnen mit hellerer Haut die schöneren Aufträge und höher bezahlten Jobs bekommen, obwohl Tambudzai eindeutig besser qualifiziert ist.
So spürt Dangarembga in ihren Romanen den psychischen Folgen von Kolonialismus und Rassismus nach. Und dass nahezu alle ihre Figuren auch körperliche Behinderungen und Beeinträchtigungen aufweisen, zeigt, dass die Jahrzehnte der kolonialen Unterdrückung und der Kriege massive Narben hinterlassen haben, die noch lange nicht ausgeheilt sein werden.
Koloniale Unterdrückung
Gemäß dem Grundsatz der Frauenbewegung aus den 1970er Jahren, wonach das Private immer auch politisch sei, nimmt sich Dangarembga in ihren nun als Buch vorliegenden Reden selbst als Beispiel, um das, was ihr widerfuhr, als Ausdruck einer kolonialen Unterdrückung anzuklagen. Dangarembgas Essayband „Schwarz und Frau. Gedanken zur postkolonialen Gesellschaft“ enthält drei Aufsätze oder Vorträge. Der erste davon, „Schreiben als Schwarze und als Frau“, handelt von Dangarembgas Kindheitsjahren bei einer Pflegefamilie in Großbritannien, wo ihre Eltern eine Lehrerausbildung erhielten. Im zweiten Text, „Schwarz, Frau und die schwarze feministische Superfrau“, wehrt sich Dangarembga gegen die Diffamierung und Verfolgung von Feministinnen in ihrer Heimat Simbabwe. Und der letzte Essay schließlich, „Dekolonisierung als revolutionäre Vorstellung“, kritisiert die Orientierung an europäischen Maßstäben und fordert eine ideologische Emanzipation.
Leider fehlen in Dangarembgas Essayband Angaben zu ihren drei Reden oder Vorträgen. Weder wird klar, wann diese gehalten wurden, noch wo. Denn Dangarembga schildert darin auch, wie ihr Misstrauen gegenüber Europäern als Ausdruck eines umgekehrten Rassismus sie daran hinderte, Chancen zu ergreifen und Solidarität zu erfahren. Gilt das immer noch, sieht sich Dangarembga immer noch ausschließlich als Opfer von Imperialismus und Neokolonialismus? Es soll nicht relativierend wirken, aber derzeit ist Dangarembga Opfer eines postkolonialen afrikanischen Despoten und wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration gegen Korruption in der simbabwischen Regierung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Solidarität kommt ausgerechnet aus dem europäischen Ausland - für Dangarembga geradezu ein weiteres Dilemma, da sie die Emanzipation von Europa fordert.
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