Mannheim. „Was bleibt, wenn ein Musiker geht?“, fragt Gastgeber Thomas Siffling in einem andächtigen Moment beim Hommage-Konzert für den jüngst verstorbenen Saxofonisten Emil Mangelsdorff im Mannheimer Ella & Louis. Die Antwort des Trompeters: „Die Musik in unseren Herzen“, auch wenn sie wie der in neun (!) Jahrzehnten aktive Ur-Frankfurter nicht selbst komponiert hätten. Sie am Leben zu erhalten ist die Aufgabe seiner Nachfolger, was dem exzellent zusammengestellten Quartett glänzend gelingt.
Was keine ganz leichte Aufgabe war, angesichts der bedrückenden Nachrichten vom Krieg in der Ukraine, wie Siffling in der Begrüßung kurz anreißt. Auch der Anlass des Abends ist ja vordergründig traurig: Am 21. Januar ist einer der größten deutschen Jazzmusiker verstummt – und eigentlich hätte der bis zuletzt aktive 96-Jährige selbst auf der Bühne im liebevoll mit Mangelsdorff-Porträts dekorierten Ella & Louis sitzen sollen, wo er noch im Januar 2021 ein Streaming-Konzert bestritten hatte. Auch das unterstreicht die Aufgeschlossenheit dieses Altmeisters, der sich stets ein offenes Ohr für Innovationen in seiner Musik bewahrt hat, ohne seine Leidenschaft für Blues, Swing und vor allem feurigen Bebop von Charlie Parker und Co. zu verhehlen.
Nun huldigen ihm sechs hochkarätige Kollegen aus der Rhein-Main-Neckar-Szene. Kern des Sextetts sind zwei langjährige Musiker des Emil Mangelsdorff Quartetts: Pianist Thilo Wagner und Schlagzeuger Axel Pape. Die Rhythmussektion komplettiert Dietmar Fuhr am Bass. Dazu kommen neben Siffling zwei Saxofonisten, die der Trompeter wegen ihrer Geschmackssicherheit für die Mangelsdorff-Rolle ausgesucht hat: seinen vielseitigen Sideman Olaf Schönborn und den renommierten Altisten Uli Jünemann. Letzter hat als Einziger nur einmal mit der verstorbenen Ikone zusammengespielt, fremdelt aber kein bisschen.
Das Repertoire ist sehr klassisch und besteht aus Kompositionen, die der Geehrte selbst gern und oft gespielt hat, wie Siffling erklärt. Mangelsdorffs Vorliebe für Balladen, die er auch im höchsten Alter noch mit hinreißender Emotionalität interpretieren konnte, wird gleich zu Beginn Charlie Chaplins „Smile“ sehr gerecht – in Quartettbesetzung mit Siffling als einzigem Bläser.
„Cherokee“ vom Briten Ray Noble im Sextett leitet die Trompete gefühlvoll ein, dann zeigt die volle Kapelle, was für eine Intensität ein Jazz-Sextett auf die Bühne bringen kann. Jünemann demonstriert brillante Technik, im Wechsel mit Siffling und Schönborn. Das Solo des Ludwigshafeners setzt das Publikum erstmals so richtig auf die Stuhlkante. Aber auch der glänzende Stilist Wagner, Fuhr und Pape können ihre Duftmarken setzen. Den „Basin’ Street Blues“ gibt es zu fünft ohne Jünemann, der es danach mit dem Parker-Klassiker „Confirmation“ aufnimmt, stark flankiert von den Rhythmikern.
Beide Konzertteile enden mit Charlie-Parker-Nummern („Au Privave“, „Now´s The Time“), bei denen sich Energie- und Begeisterungs-Level auf wie vor der Bühne die Waage halten. Die zwei Stunden enden gefühlvoll mit Cole Porters „You´d Be So Nice To Come Home To“. Das hätte Mangelsdorff gefallen, befindet auch Siffling: „Ich glaube, wir haben den Emil gut geehrt – vergessen sie ihn nicht!“
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