Kino

„The Banshees of Inisherin“ ist ein Oscar-Kandidat

In Martin McDonaghs Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ verstreiten sich zwei von Colin Farrell und Brendan Gleeson gespielte Trinkkumpane auf einer abgelegenen Insel, während auf dem Festland der irische Bürgerkrieg tobt.

Von 
Gebhard Hölzl
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Eindrucksvoll als Freunde wie als Streithähne: Brendan Gleeson (links als Colm) und Colin Farrell (rechts als Pádraic ) in einer atmosphärischen Filmszene. © Verleih/dpa

Mit Spannung erwartet wurde auf den letztjährigen Filmfestspielen von Venedig das neue Werk des Dramatikers und Regisseurs Martin McDonagh, der 2017 auf dem Lido für sein Drehbuch zu „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ausgezeichnet worden war. Hinzu kam, dass Publikum und Presse sich auf die weitere Zusammenarbeit von Colin Farrell und Brendan Gleeson freute, die der Filmemacher 2008 bereits gemeinsam - und hoch erfolgreich - in seinem bitterbösen Erstling „Brügge sehen…und sterben?“ besetzt hatte.

Freunde fürs Leben?

Lebenslange Freunde sind Pádraic (Farrell) und Colm (Gleeson), die auf einer abgelegenen Insel an der Westküste von Irland leben. Beschaulich geht’s hier zu, während auf dem Festland der Bürgerkrieg tobt. Kanonenschüsse sind gelegentlich zu hören, wie es um die Auseinandersetzung steht, scheint keinen der wenigen Bewohner zu interessieren. Man geht wie gewohnt seinen alltäglichen Geschäften nach. Für Pádriac heißt dies beispielsweise seinen besten Kumpel punkt 14 Uhr im örtlichen Pub auf ein, zwei Pints zu treffen.

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Jpk, Loi
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So ist er wie vom Donner gerührt, als Colm ihm die Freundschaft kündigt, eröffnet nicht mehr mit ihm trinken zu wollen - und ohne zu erklären warum. Da fällt Pádriacs Blick auf den Kalender: 1. April 1923. Klar! Sein Trinkkollege hat ihn auf den Arm genommen.

Also macht er sich am nächsten Tag - nachdem er sich von seiner Schwester Siobhan (Kerry Condon), mit der er in einem bescheiden Häuschen zusammenlebt - verabschiedet hat, zur gewohnten Zeit auf den Weg ins Wirtshaus. Wo er wieder auf Ablehnung stößt. Mehr noch, Colm droht sich künftig jedes Mal einen Finger abzuschneiden, wenn Pádriac ihn anspricht. So dauert es nicht lange, bis die rostige Schafsschere erstmals zum Einsatz kommt.

Die Welt bricht für den freundlichen, ein wenig einfältigen Pádriac zusammen. Mit Dominic (Barry Keoghan), der von seinem Vater, dem gewalttätigen Dorfpolizisten, sexuell missbraucht wird, betrinkt er sich fortan. Derweil blüht Colm förmlich auf. In der Kneipe, dem Treffpunkt der Gemeinde, geigt mit einer Gruppe Musikstudenten auf. Beschließt zu komponieren, um etwas „Bleibendes“ zu schaffen. „Wie Mozart“, den er jedoch im 17. statt im 18. Jahrhundert verortet. Das kann, will der wenig kulturbeflissene Pádraic nicht durchgehen lassen. Er greift auf drastische Mittel zurück, um seinen Saufkumpanen zurückzugewinnen...

„The Banshees of Inisherin“ beruht auf dem dritten Teil der „Aran Islands“-Trilogie, die McDonagh fürs die Bühne schrieb, der jedoch nie - im Gegensatz zu „The Cripple of Inishmaan“ bzw. „The Lieutenant of Inishmore“ - zur Aufführung kam.

So hat er ihn nun nach eigenem, in Venedig erneut prämiertem Skript zum Kinofilm aufbereitet. Beobachtungen und Erfahrungen seiner Kindheit - er hat auf jeder der Inseln Sommer verbracht - sind darin eingeflossen. Alte Mythen hat er zudem aufgegriffen: Etwa den der Banshees, jener Geisterfrauen, die angeblich den Tod vorhersagen können, hier verkörpert von der ob ihrer vermeintlichen seherischen Fähigkeiten gefürchteten Mrs McCormick (Sheila Flitton).

Sie ist nur eine der zig skurrilen Figuren, die das Eiland bevölkern. Eine Ausnahme bildet lediglich die stolze, belesene Siobhan, die sich dazu entschließt, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und in Belfast eine Stelle als Bibliothekarin anzutreten - und dort vielleicht noch einen Gatten zu finden, der mehr kann als nur tief ins Glas schauen und sich zu prügeln. Denn die Männer ihrer Umgebung sind rau wie die Felder, die sie bewirtschaften. Der Pfarrer ist die oberste moralische Instanz, der Dorfgendarm steht für die korrupte Regierung, die Frau im kleinen Laden, der zugleich als Postamt dient, ist für Tratsch und Klatsch zuständig, weiß über alles und jeden Bescheid - nicht zuletzt weil sie alle Briefe liest ehe sie sie weitergibt.

Ein Mikrokosmos, der die weite Welt spiegelt. Der sinnlose Streit der ehemaligen Kameraden muss als Parabel auf den (Bürger-)Krieg gelesen werden, der durch den anglo-irische Vertrag von 1921 ausgelöst wurde und in der Gründung des irischen Freistaates mündete.

Parabel auf den Bürgerkrieg

Gedreht wurde vor sturmumtoster Kulisse auf den Aran-Inseln und Acaill, der größten der westirischen Inseln. Für die zur hemdsärmeligen Stimmung passende Musik sorgte Carter Burwell, die Kamera führte mit einem guten Blick für die malerisch karge Landschaft Ben Davis, beide haben schon mehrfach mit McDonagh kooperiert. Bestechend sind dessen messerscharfen Dialoge, bei denen einem ein ums andere Mal das Lachen im Hals stecken bleibt. In erster Linie ist seine Tragikomödie jedoch ein Schauspielerfilm, getragen von Farrell und Gleason, die in ihren Rollen aufgehen, und von ihren Mitspielern, vor allem Condon („Better Call Saul“) und Keoghan (,“Dunkirk“), kongenial unterstützt werden. Bei der Oscar-Verleihung im März sollte diese Produktion beste Chancen besitzen.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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