Der neue Film

"Führer und Verführer": Das Aufbrechen der Inszenierung

In „Führer und Verführer“ beleuchtet Regisseur Joachim A. Lang die Propagandamaschinerie hinter dem Nazi-Regime. Den Fokus legt er dabei auf die Figur Joseph Goebbels, der gespielt wird von Robert Stadlober

Von 
Gebhard Hölzl
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Im Mittelpunkt des Films „Führer und Verführer“ steht Joseph Goebbels, gespielt von Robert Stadlober. © Zeitsprung, SWR, Wild Bunch/Stephan Pick

Hitler und seine Helfer sind hierzulande immer Thema. Ob im Kino: etwa Hans-Jürgen Syberbergs Vierteiler „Hitler - Ein Film aus Deutschland“ (1977), Armin Mueller-Stahls „Gespräch mit dem Biest“ (1996), Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ (2004).

Oder im Fernsehen, da besonders in der von Prof. Dr. Guido Knopp verantworteten „ZDF History“-Reihe, in der der omnipräsente Publizist sämtliche Lebensbereiche des „Führers“, von „Hitlers Frauen und Marlene “ über „Hitlers Krieger“ bis hin zu „Hitlers Kinder“ beleuchtet hat - gerne in Farbe und natürlich in „bislang ungesehenen Originalaufnahmen“.

Überaus populärwissenschaftlich, vereinfacht und verkürzt ist die Annäherung an Hitler in letztgenannten Dokumentationen. Einen anderen Zugang zum Stoff hat Joachim A. Lang gewählt. Er hat bekanntes und weniger bekanntes Dokumentarmaterial mit inszenierten Szenen verwoben, die auf historischen Quellen, darunter verbriefte Dialoge, basieren. Den Fokus legt er auf Joseph Goebbels (Robert Stadlober), dessen Perspektive das Dokudrama bevorzugt einnimmt.

Hitlers öffentliche Person war reine Inszenierung

„Führer und Verführer“ heißt das Werk, das mit dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 beginnt und dem Mord und Selbstmord im Führerbunker im Mai 1945 endet. 60 Millionen Tote gab es zu beklagen, darunter sechs Millionen ermordete Juden. Schwarz ist die Leinwand zunächst, eine unaufgeregte Stimme ist zu hören.

Hitlers Stimme, 1942 heimlich aufgenommen. Nicht unangenehm. Sanft fast. Anders als man sie von seinen öffentlichen Auftritten kennt. Keine Hysterie, kein Pathos. Die Schlussfolgerung des Filmemachers, auf Texttafeln festgehalten: Hitlers öffentliche Person war reine Inszenierung. NS-Propaganda. Fake News, gezielte Desinformation, würde man aktuell sagen. Davor will der Film warnen.

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Vergangenheit und Gegenwart werden in Kontext gesetzt. Gespiegelt im Zentrum der damaligen Macht - mit Goebbels, Adolf Hitler (Fritz Karl) und Magda Goebbels (Franziska Weisz), Vorzeige-Mutter und -Ehefrau des Regimes, als zentralen Figuren. Man lernt, wie das „Dritte Reich“ funktioniert hat. Die „Endlösung“ wird diskutiert, über den Russland-Feldzug räsoniert.

Beiläufig, emotions- und herzlos. Die Protagonisten werden abgebildet, ohne sie zu dämonisieren, kühl, zurückgenommen. Goebbels, von allen Doktor gerufen, hinkt dezent, sein rheinischer Dialekt bleibt angedeutet. Offensichtlich ist nur, dass er alles daran setzt, zum zweiten Mann im Staat aufzusteigen.

Dazu muss er sich auf dem Berghof gegen Hitlers inneren Zirkel, darunter Himmler, von Ribbentrop, Göring und Speer, durchsetzen und seine Affäre mit der tschechischen Schauspielerin und Sängerin Lida Baarová beenden.

Prominente Holocaust-Überlebende kommen zu Wort

Auf Goebbels Liebe zum Kino wird viel Augenmerk gerichtet. Leni Riefenstahl taucht auf, Heinz Rühmann und Veit Harlan, Regisseur von „Jud Süß“ und „Kolberg“. Und dessen schwedische Gattin, „Reichswasserleiche“ Kristina Söderbaum. Der Doppelsuizid des Schauspielers Joachim Gottschalk und seiner jüdischen Frau Meta Wolff kommt zur Sprache.

Vor allem aber geht es um den glühenden Antisemitismus Hitlers und dessen Ziel, das jüdische Volk auszulöschen. Wovon prominente Holocaust-Überlebende, wie Charlotte Knobloch oder Eva Szepesi in Kurzstatements berichten. Mit Margot Friedländers finalen Schlüsselsatz: „Menschen haben Menschen zu respektieren“.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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