Albumkritik

So klingt das Debütalbum von Mannheims großer Jazzhoffnung Lukas DeRungs

Der Komponist und Pianist beeindruckt durch "Kosmos Suite" mit einer wohl einmaligen musikalischen Konstellation. Das erste Konzert des Großprojekts am 28. Oktober ist bei Enjoy Jazz in der Konkordienkirche

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Lukas DeRungs kombiniert Jazz mit Lyrik und Kammerchorgesang. © Anton Tal

Das Konzert

  • Das DeRungs Quintet stellt mit dem Jazzchor Freiburg das Album „Kosmos Suite“ am Freitag, 28. Oktober, 20 Uhr live bei Enjoy Jazz in der Citykirche Konkordien, R2 2, vor.
  • Karten (29,60 Euro) unter enjoyjazz.de

Mannheim. „Kommt das nächste große deutsche Jazz-Ding aus Mannheim?“, fragte unser großer Jazz-Kritiker Georg Spindler schon 2016 als Lukas DeRungs mit dem Trio de Lucs das Album „Lux“ vorlegte. Das Lob bestätigten seitdem diverse Preise und Stipendien (u.a. zweimal der Nicky Hopkins Award) – aber vor allem DeRungs Arbeit in zahllosen Projekten vom Hip-Hop-Duo-Kleister bis Listentojules. Jetzt legt der 1990 in Freiburg geborene Pianist und Komponist sein Debütalbum vor. „Kosmos Suite“ ist ein so spektakulär konzipiertes Werk, dass der längst auch international gefragte Wahl-Mannheimer damit zu Enjoy Jazz eingeladen wurde. So geht die Albumpräsentation bei dem renommierten Festival für Jazz und Anderes am 28. Oktober in der Mannheimer Citykirche Konkordien über die Bühne. Das passt.

Schon die ungewöhnliche Besetzung des beim Master-Studium an der Royal Academy of Music in London rekrutierten Large Ensembles sagt viel über die Ausrichtung des Konzeptalbums: Das DeRungs Quintet komplettieren Gitarrist Karim Saber, Trompeter Laurence Wilkins, Schlagzeuger Jonas Esser und Bassist Jan Dittmann. Ein zentrales Element ist auf dem Album aber der Kosmos Chamber Choir (live ersetzt vom Jazzchor Freiburg, den DeRungs als Arrangeur kennt). „Das ist mein bislang größtes Projekt“, so der Absolvent der Mannheimer Musikhochschule (Jörg Reiter, Rainer Böhm).

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Wechsel mit System

So beliebt Jazzchöre auch sind, speziell in Deutschland – wie oft hört man im professionellen Jazz schon mal einen ausgewachsenen Chor? Also nicht nur ein paar Backgroundsängerinnen oder ein kleines Gospel- oder Soul-Ensemble. Allein, wie DeRungs diesen Klangkörper einsetzt, verschafft seiner Suite ein Alleinstellungsmerkmal: Der Chor stellt hier nur selten hübsche Klangdekoration in den Raum der wunderbaren Produktion. Er spielt bei der Aufnahme in der Londoner St. Mark’s Church oft eine Hauptrolle. Nach dem eher ruhigen Wechselspiel zwischen Gesang und Piano im fünfteiligen Suiten-Auftakt „Spark“ entzündet sich der Funke und explodiert in „Blast“ Richtung hochdynamische Avantgarde. Die expressiven Duelle zwischen Chor, DeRungs perkussivem Piano. Trompeten- und Gitarrenprotuberanzen verblüffen mit hendrixianischer Wucht. Aus gesungenem Wohlklang wird zum Beispiel in „Explode“ ein zunehmend dissonantes Zusammenspiel als Steilvorlage für eine Kollektivimprovisation des Quintetts. Eine beeindruckende Herausforderung der Hörgewohnheiten.

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Der Wechsel von Ordnung und Chaos hat System: „Es geht um Dunkelheit und Licht, Leben und Tod, endlose Leere, Liebe und Vertrauen. Ich habe versucht, das Leben eines Menschen mit dem eines Sterns zu vergleichen. So wie im Universum wechseln sich Ordnung und Chaos phasenweise ab“, erklärt DeRungs, der sich von philosophischen Themen grundsätzlich fasziniert zeigt. „Zum Beispiel die Vorstellung von Unendlichkeit oder die Frage nach der Rolle des Einzelnen im großen Ganzen.“ Konzipiert sei das Album als Reise durch verschiedene emotionale Zustände. Auf „Blast“ folgen die Abschnitte „Life“ und „Void“, der die Angst vor dem Tod verhandelt. Keine Angst, der Ausklang in „Home“ ist versöhnlich, mit fast sakralem Gesang und einem offenen, aber hoffnungsvollen Gefühl etwa wie am Schluss von Goethes „Faust“. Als ob das alles nicht schon kunstsinnig genug wäre, entstammen die Texte zum Großteil DeRungs jahrelanger Recherche nach passenden englischen Gedichten. Ambitionierter geht’s kaum.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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