Sommerserie "Hiergeblieben!"

In der Welt der Nibelungen

Von 
Peter W. Ragge
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Der Bösewicht am Rhein: Hagen schleudert den Nibelungenschatz in den Strom – diese Szene zeigt ein Denkmal an der Uferpromenade. © Stadt Worms Uhrig/ Nibelungenmuseum Stefan Blume (3)

Ob es hier liegt, gleich am Ufer unterhalb der Bänke unter den schönen Platanen? Oder weit hinausgeschleudert, in der Mitte des breiten Stroms, wo gerade ein niederländischer Frachter entlang tuckert? Die Kraft und Entschlossenheit dazu hätte er ja gehabt, dieser grimmig schauende, bärtige Mann mit Helm und Kettenhemd. Der rund drei Meter hohe Recke wirkt klein, hier, an der Wormser Rheinpromenade, wo er neben dem 35 Meter hohen Riesenrad „Colossus“ steht.

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Das Denkmal für Hagen von Tronje, 1905 geschaffen von Künstler Johannes Hirt, steht seit 1932 auf den Sockel eines ehemaligen Rheinkrans - dort, wo der berühmte Nibelungenschatz, den Hagen auf seinem Schild trägt, versenkt worden sein soll. Schließlich glauben in Worms immer noch „alle, dass hier, irgendwo unter dem Stadtgebiet, der sagenhafte Schatz ruht“ - so sagt es Mario Adorf.

Der berühmte, gerade 90 Jahre alt gewordene Schauspieler, bekannt vom Film „Der große Bellheim“ und als „Schattenmann“, initiierte 2002 die Neuauflage der Nibelungenfestspiele in Worms und stand selbst 2002 und 2003 dort auf der Bühne.

Hören kann man Adorf weiter ständig in Worms - im Nibelungenmuseum. Museum? Nun ja, es ist ein völlig anderes Museum als das, was man sonst in der Region kennt, ein Museum der neuen, modernen Art. Schließlich hat es keine Exponate, mit denen man die bedeutendste deutsche Heldendichtung des Mittelalters illustrieren oder erklären könnte. Der Nibelungenschatz ist weiter nicht entdeckt, schlummert irgendwo in den Tiefen des Rheins. Das Schwert des Helden Siegfried, Helme, Gürtel oder sonstige Exponate - all das gibt es nicht. „Wir haben keine Sammlung, keine Ausstellung, daher gibt es auch keine Führungen im klassischen Sinne“, erläutert Museologin Ulrike Standke vom Team des Nibelungenmuseums.

Untergebracht ist es in einem Teil der aus der Zeit der Staufer stammenden Stadtmauer mit zwei Wachtürmen, vor die man - für Kasse, Museumsshop, Museumspädagogik und Toiletten - futuristisch erscheinende Anbauten in Form von spitzbögigen Pavillons aus Glas und Metall gesetzt hat. Rund 18 000 Besucher kommen pro Jahr, um hier dem, wie Standke sagt, „nach wie vor faszinierenden, jahrhundertealten Mythos nachzuspüren“.

Dazu wurde das 2001 nach einem internationalen Ideenwettbewerb und dem dort siegreichen Konzept des Medienkünstlers Olivier Auber und des Architekten Bernd Hoge eröffnete Museum „wie ein begehbares Hörbuch gestaltet“, so Standke. Es zeigt, dass ein alter Mythos und moderne Medien kein Gegensatz sein müssen - im Gegenteil.

Neben über 1000 Bildern, Filmausschnitten und Musik stellen Mario Adorf als fiktiver Erzähler und der von ihm gesprochene Text den besonderen Erfolgsfaktor des Museums dar. Seine sonore Stimme kommt neben Schwertergeklirr und Wagners „Walkürenritt“ aus dem Kopfhörer, wenn man das Gerät aufsetzt und sich auf den Weg durchs Museum macht. Das Tempo kann man selbst bestimmen, sich zwischendurch mal hinsetzen, Ausschnitte aus dem Stummfilmepos „Nibelungen“ von Fritz Lang von 1924, betrachten, ferner ausführlich sprach- und literaturhistorische Hintergründe erfahren und in die Welt der Mythen abtauchen.

Anonymer Autor

Adorf stellt sich vor als der Dichter des Nibelungenlieds. „Ich spreche zu Euch aus dem Jenseits, aus dem Reich der Toten“, sagt er. Die vermutlich um das 5. Jahrhundert spielende Heldengeschichte ist schließlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts aufgeschrieben worden - von wem, das weiß aber niemand. „Zu meiner Zeit war es üblich, dass der Autor eines Heldenepos unbekannt blieb“, erfahren die Besucher. Er habe schließlich nur zu Pergament gebracht, was sich die Menschen auf Jahrmärkten und Wirtshäusern erzählten: „Das lief von Mund zu Mund, sieben Jahrhunderte lang!“

„Aber bin ich dafür verantwortlich, was nach meinem Tod durch all die geschah, die sich seiner bemächtigten?“, hört der Besucher. Denn auch das zeichnet das Museum aus: Beim Weg durch die 39 Kapitel erfährt man nicht nur alles über die heimtückische Ermordung des Helden Siegfried und die blutige Rache von Kriemhild, alles über Liebe und macht, Rache und Kämpfe rund um Worms und im Odenwald. Kritisch angesprochen wird ebenso, wie die Nationalsozialisten das Heldenepos missbraucht haben.

Ein paar Exponate gibt es aber doch - aus Mannheim. Das Nationaltheater hat 2014 dem Nibelungenmuseum Requisiten aus der „Ring“-Inszenierung des berühmten Regisseurs Achim Freyer, deren Teile von 2011 bis 2013 Premiere hatten, zur Verfügung gestellt. Die leuchtende Hand von Gottvater Wotan, daran der „Ring“, der Reichtum und Allmacht verheißt - plötzlich begegnet sie einem auf einem Treppenabsatz des alten Stadtmauerturms. Auch die Puppe des Wotan ist dabei, der von Mythen umwobene Tarnhelm, manche Requisiten der Rheintöchter wie ein Fisch und eine Geige sind zu sehen. Per Media-Guide können sich Besucher das alles über Kopfhörer und Mini-Bildschirm erläutern lassen, dazu die Grundidee der Mannheimer Inszenierung des monumentalen Werks erfahren - als Beispiel für eine zeitgemäße Rezeption des mittelalterlichen Epos.

Tipps & Infos

Dom und Luther

Er ist nicht so bekannt wie der in Speyer und Mainz – aber der Dom St. Peter in Worms, 1130 bis 1181 erbaut und mit einem prächtigen barocken Hochaltar von Balthasar Neumann von 1689 versehen, gehört zu den berühmten drei rheinischen Kaiserdomen. Bei einem Besuch der Stadt sollte man ihn also auf keinen Fall auslassen, zumal er ohnehin beim Fußweg vom Nibelungenmuseum zum Hauptbahnhof liegt. Immerhin fand hier, sieht man vom Konstanzer Konzil ab, die einzige Papstwahl auf deutschem Boden statt: 1048 wurde Papst Leo IX. gewählt. Große Bedeutung hat Worms aber auch für die Reformation, denn hier weigerte sich Luther 1521, seine Schriften zu widerrufen. Hieran erinnert das riesige Lutherdenkmal. pwr

Essen & Trinken 

Diese Redaktion empfiehlt folgendes Restaurant:

„Hagenbräu“ am Rheinufer

Am Rhein 3

67547 Worms

Wurstsalat zu 8,50 Euro, Saumagen zu 10,90 Euro, Kochkäseschnitzel zu 13,50 Euro, dazu Flammkuchen, Burger, Frühstück sowie Kaffee und Kuchen.

Öffnungszeiten März bis Oktober: Montag bis Freitag 10 bis 23 Uhr, Sa./So. 9 bis 23 Uhr, November bis Februar am Montag Ruhetag und verkürzte Öffnungszeiten.

Zudem gibt es am Rheinufer zahlreiche weitere gastronomische Angebote.

Öffnugnszeiten und Preise

 

Geöffnet: dienstags bis freitags 10 bis 17 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr

Eintrittspreise: Erwachsene 5,50 Euro, ermäßigt 4,50 Euro, Kinder zahlen 3,50 Euro.

Anfahrt

Nibelungenmuseum

Fischerpfötchen 10

67567 Worms

mit dem Auto: A 67 Frankfurt-Mannheim bis zur Abfahrt Lorsch, dann über die B 47 in Richtung Worms.

mit der Bahn: Vom Hauptbahnhof mit den Bussen der Linien 401, 404, 408 oder 409 – bis zu den Haltestellen Römischer Kaiser oder Marktplatz oder zu Fuß (ca. 20 Minuten).

Redaktion Chefreporter

Thema : Hiergeblieben! Tipps für den Urlaub daheim

  • Serie "Urlaub daheim" Natur in Ruhe genießen

    Assamstadt bietet für alle Altersklassen das Passende. Wer für ein paar Stunden Entschleunigung sucht, ist hier genau richtig – und trifft auf ein ganz besonderes, überdimensionales Tier. Die Ruhe der Natur genießen, altehrwürdige Gedenkstätten erkunden und gleichzeitig spielerisch die Tierwelt besser kennenlernen – um solch einen gelungenen Wanderausflug zu erleben, muss man längst nicht mehr ins Allgäu oder in ein deutsches Mittelgebirge fahren. Es bedarf nur einer kurzen Fahrt in das schöne Assamstadt – und schon kann ein abwechslungsreiches Abenteuer für alle Altersklassen beginnen. Je nach Vorlieben kann man zwischen verschiedenen Routen wählen. So können Kinder auf dem Naturerlebnispfad ihre Geschicklichkeit erproben, während Ruhesuchende ihren Gedanken nachgehen können und meditativ durch die erfrischende, herbstliche Landschaft schlendern. Sechs Rundwanderwege starten am Rathaus. Von dort führen der Kirschblütenweg, die Wanderwege LT 21 und LT 22 sowie die drei Bildstockwanderwege in die vielfältige, von kleinen Schmuckstücken geprägte Umgebung. Die Projektgruppe „Wanderwege“ des Vereins „Heimat & Kultur“ verknüpfte unter der Leitung von Walter Frank alle Grenzsteine, Holzkreuze und Erinnerungsstätten der Gemarkung zu einem optimalen Netz, so dass man über die Bildstockwanderwege über 70 kleine und große Blickfänge leicht erreichen kann. Zur wohl außergewöhnlichsten Sehenswürdigkeit in der Region führt der Bildstockwanderweg 3. Schon nach kurzer Zeit zeichnet sich eine auffallende Silhouette in der Ferne ab. Nähert man sich, erkennt man, dass eine mehrere Meter hohe, hölzerne Gams am Wegrand steht. Dem einen oder anderen Ausflügler mag sie vielleicht bekannt vorkommen, denn einst zierte sie den Umzugswagen der Wagenbaugruppe „Schneiderei“ der „Schlackohren“. Nachdem die Gams am vergangenen Rosenmontagsumzug eine Runde durch die Stadt drehen durfte, bleibt sie den Besuchern nun langfristig als Plastik am Wanderweg erhalten. Bürgermeister Joachim Döffinger ist stolz auf die Zusammenarbeit der Narren und Heimatliebenden: „Das Tolle ist, dass bei uns in Assamstadt viele Vereine Hand in Hand arbeiten“. Nicht nur der Bildstockwanderweg 3 führt an der Skulptur vorbei, sondern auch der sportive Radweg, der ebenfalls oft und gerne genutzt wird. Vor allem in diesem Jahr seien mehr Radler unterwegs gewesen, erzählt Edgar Tremmel, Mitglied des Heimat- und Kulturvereins. Damit auch die jüngere Generation nicht zu kurz kommt, wurde in den letzten Jahren von der Projektgruppe „Junge Erwachsene und Familien“, geleitet von Andreas Sturm, mit Unterstützung von Jürgen Hernadi und weiteren Engagierten, ein Naturerlebnispfad angelegt. Beginnend am Sportplatz, führt die rund zwei Kilometer lange Strecke an acht lehrreichen, interessanten Stationen vorbei. Jede ist einem heimischen Waldbewohner gewidmet. So können sich die Kleinen an der ersten Station „Klettern wie ein Eichhörnchen“ auf einem Spielgerüst austoben. Zusätzlich versorgen Infotafeln die Ausflügler mit Wissenshappen über das jeweilige Tier. An der Eichhörnchenstation befindet sich der „Schlackohrenpilz“, eine Aussichtsplattform, die zum 25. Geburtstag der „Schlackohren“ erbaut und 2010 renoviert wurde. Von dort können die Wanderlustigen einen tollen Blick über Assamstadt genießen. Möchte man dem Weg tiefer in den Wald hineinfolgen, kann man ganz unbesorgt sein: Dank der ausführlichen Beschilderung, die vom Verein gepflegt und kontrolliert wird, sind Verirrungen nahezu unmöglich. Über den zertifizierten Bildstockwanderweg 1 gelangt man zu versteckten Sehenswürdigkeiten. Durch die Erfüllung verschiedener Kriterien erhielt er auf der CMT das Siegel „Wanderbares Deutschland“. So führe der Weg nur selten über Asphalt und sei besonders gut ausgeschildert, erzählt Projektleiter Frank. Allein diese Strecke führe an über 30 Bildstöcken und Wegkreuzen vorbei. Verborgen zwischen dichten Büschen und hohen Bäumen lädt die Mariengrotte zu einem entschleunigenden Moment der Ruhe ein. Flackernde Kerzen zeugen von regelmäßig einkehrenden Wallfahrern. Wer eine Rast einlegen möchte, ist einige Meter weiter bei einer gemütlichen Waldhütte gut aufgehoben. Eine Picknickbank bietet hungrigen Spaziergängern eine bequeme Sitzgelegenheit für eine schmackhafte Brotzeit. Eine weitere Besonderheit ist der Kreuzweg, der zum „Steffeskirchle“ weist. Der Assamstadter Bildhauer Anton Göbel fertigte für die 16 Stationen jeweils ein Relief aus Lindenholz – jedes ein Kunststück für sich. Aufgrund einer Renovierung 2017, die durch das „Leader“-Programm der EU unterstützt wurde, sind die Schnitzereien gut erhalten. An Christi Himmelfahrt ist das „Steffeskirchle“ ein beliebter Wallfahrtsort, doch auch unter dem Jahr wirkt die andächtige Atmosphäre der Lichtung beruhigend. Schließlich soll die Kapelle an einem Kraftort errichtet worden sein, und wenn die Blätter hoch über dem Kreuz rauschen und ein sanfter Wind über den Platz weht, erscheint dies den meisten nicht weithergeholt. Für jene, die sich statt entspannter Meditation Spannung und Action wünschen, empfiehlt sich neben dem Naturerlebnispfad auch Geocaching oder eine Schnitzeljagd, bei der jeder mit Hilfe eines Smartphones mitmachen kann. Mit sowohl lustigen als auch interessanten Fragen können „Junge und jung Gebliebene“, wie Frank betonte, die heimischen Ländereien erkunden. Im Allgemeinen bieten die verschiedenen Wanderwege rund um Assamstadt ein abwechslungsreiches Ausflugsziel, das es sich zu erkunden lohnt. 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