Region. Wasser, Hopfen und Malz – mehr als diese drei Grundzutaten braucht es streng genommen nicht, dann darf in den Sudhäusern der Bundesrepublik jenes Kultgetränkt entstehen, das die Deutschen als „ihr“ Bier heiß und innig lieben. Zwar liegt der Konsum lange nicht mehr auf dem Rekordniveau der 1990er Jahre, doch allen Krisen und der Corona-Pandemie zum Trotz wurden 2021 laut Angaben des Statistischen Bundesamtes 69,5 Millionen Hektoliter des Gerstensaftes umgesetzt, rund 100 Liter pro Kopf und Jahr.
Zum Tag des Deutschen Bieres lohnt daher ein Blick auf Brauhäuser in Mannheim und der Region – denn auch, wenn nur ein Bruchteil der deutschlandweit gut 1300 Brauereien im Rhein-Neckar-Raum sitzt: Vielfalt gibt es hier zuhauf zu erleben. Eine kleine Auswahl.
Unkonventionelle Spezialitäten und Mut zu Experimenten
Fast schon zwangsläufig fällt der Blick in der Region auf die beiden großen Player im Biermarkt: Eichbaum und Weldebräu. In Mannheim und Plankstadt beheimatet, offerieren beide Brauereien im Kerngeschäft vom klassischen Pils bis zum spritzigen Weizen, vom Export bis zum Radler fest etablierte Sorten für die Bierliebhaber der Region. Und dennoch trennen die beiden Großbrauereien Philosophien, die sich in einzelnen, ganz konkreten Produktentscheidungen niederschlagen.
Während etwa die Eichbaum Brauerei neben ihrem klassischen Geschäft den Mut aufbrauchte, sich auf die Herstellung malzhaltiger Braumeister-Limonaden einzulassen und erst jüngst die neue Braumeister Cola Mix vorstellte, gesellen sich bei Welde 2022 unkonventionelle Spezialitäten wie die ein perliger Fest-Märzen oder der beliebte Eisbock zur mittelalterlich inspirierten Badisch Goose. Streng genommen spricht das nicht nur für ein konsequentes Bier-Marketing, sondern vor allem für eine Erweiterung der Sinne, die bei den Konsumenten durchaus ihren Anklang findet. Doch dazu später mehr.
Denn vor der Produktentscheidung steht – allem voran – erst einmal die Zutatenentscheidung. Für Welde-Chef und Bier-Sommelier Max Spielmann etwa ist klar: „Ein gutes regionales Bier lebt von seinen regionalen Rohstoffen.“ Einmal jährlich bestelle die Brauerei in Sandhausen eine komplette Hopfen-Fläche bei lokalen Landwirten, das Malz bezieht der Plankstadter Betrieb überwiegend aus dem Kraichgau und bei ergänzendem Bedarf zumindest aus Deutschland. Wer den Geschäftsmann und Bierkenner fragt, wie er das deutsche und regionale Bier im internationalen Vergleich einschätze, hört fast huldigungsvoll: „Durch Größen wie das Reinheitsgebot, aber auch eine hohe handwerkliche Qualität haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, das auf künstliche Verfahrensvereinfachungen verzichtet, aber dennoch Vielfalt garantiert. Darauf können wir stolz sein!“ Wer sich vergegenwärtigt, dass vom schlanken norddeutschen Pils bis hin zum malzig-süffigen Hellen allein im „Normalbereich“ der Supermärkte ganze Regalfluchten dem Traditionsgetränkt gewidmet sind, kann da nicht unbedingt widersprechen.
Von Bernsteinweizen bis hin zum Hopfenfuchs
Zumal, wenn es in der Region zwischen Innovation und Tradition gleich mehrere Betriebe gibt, die sich und dem Bier alle Ehre machen wollen. Wer sich etwa die Brauerei zum Klosterhof in Heidelberger Stift Neuburg näher zu Gemüte führt, wird dabei keine Massenabfüllung, sondern vielmehr einen Manufakturbetrieb ausmachen, der ganz bewusst nach historischen Rezepten braut, ohne dabei die Zukunft zu vergessen. Zwar werden die ausgewählten Sorten nur in Kleinmenge produziert, dafür sind die Ergebnisse umso köstlicher, vom Bernsteinweizen bis hin zum Hopfenfuchs. Auf historischen Pfaden bewegen sich ebenso die Pop Up-Gründer, die sich in Heidelberg ganz den Ideen und Rezepten des Braumeisters Hans Hirsch widmen und dementsprechend nicht nur Helles, Kellerbier und Ur-Weizen auf die Theke stellen, sondern als Restaurant auch noch stilechte Speisen ergänzen, von der Bierkäsesuppe bis zum Braumeistersalat.
Wer sich diese Bewegung genauer ansieht, erkennt dabei Tendenzen wie im deutschen Fernsehen: Gab es lange Zeit nur die ersten drei Programme, fragmentierte sich der Geschmack mit den Möglichkeiten der Technik – hin zu einem Abwechslungsreichtum, der immer noch seine Favoriten kennt, auf ein Monopol jedoch verzichtet. Hans Spielmann nennt das „Genuss für jeden Geschmack“, Eichbaum-Prokurist Holger Vatter-Schönthal weiß: „Unsere Kunden trinken nicht unbedingt mehr Bier, sie trinken es anders.“ Was sich auch in deutschlandweiten Statistiken exakt so wiederfindet. Denn während Weizen und Pils die Massen locken und das Alkoholfreie auch für Sportler interessanter wird, sind es starke, delikate Craft-Biere, die im Gourmet-Bereich Akzente setzen.
Biere für Wagemutige
So hat letztlich jede Brauerei im Großraum Mannheim ihre Legitimation. Während die Ludwigshafener Bier-Genießer aus den Händen von Mayer’s Brauwerk ein ehrliches Pils trinken können, das von Überraschungskreationen wie dem experimentellen Wunder-Bier ergänzt wird, wartet die Woinemer Braumanufaktur mit einem klassischen, regionalen Portfolio auf, in dem sich gleich auch noch einige hauseigene Spirituosen wiederfinden. Wer auf echte Hausbrauereien und Kleinbetriebe schwört, wird sich im Schwetzinger Brauhaus zum Ritter herzlich wohlfühlen – und wem Wagemut mehr bedeutet als Sicherheit, sollte sich die Kreationen von Ulrich Sander aus Worms nicht entgehen lassen. Vor zehn Jahren in Südhessen alleine aufgebaut, fertigt der Braumeister heute in seinem Betrieb erlesene und preisgekrönte Abfüllungen, die zwischen dem dunklen Starkbier mit dem treffenden Namen „Schokolator“ und dem fruchtig-süßen Sour Porter Barrique changieren, das im Weinfass ausgebaut von Kirsche und Pflaume gleichzeitig grüßen lässt. Mehr Experimentierfreude geht kaum.
Als kurze Warnung sei eine kleine Anekdote noch erwähnt: Wer glaubt, mit dem „Ladenburger“ ein regionales Bier im Glas zu haben, sollte einen kurzen Blick auf’s Etikett riskieren – um festzustellen, dass der Name nur vom alten Max Ladenburger herrührt, der vor gut 100 Jahren nach Neuler in den Ostalbkreis hinein heiratete. Für den Ladenburger Bier-Fan jedoch kein Grund zur Verzweiflung: Mit der traditionell orientierten Lobdengau Brauerei gibt es ein wunderbar echtes Produkt von Hier.
Was letztlich vielleicht auch so etwas wie der Haltepunkt zu sein scheint. Denn im Gespräch merkt der Eichbaum-Marketing-Chef Vatter-Schönthal zwar an, dass die Rohstoffverteuerung durch den Ukraine-Krieg, die Corona-Pandemie und auch die überregionale Konkurrenz den eigenen Markt keineswegs einfacher machten, hält aber auch fest: „Regionalität und Treue werden auch beim Bier immer wichtiger.“ Wenn das in einer bier- und abwechslungsreichen Region wie dieser kein Statement ist.
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