Speyer. Dass Regenwürmer den Kot von Schnecken essen und an Bakterien lutschen. Dass Maulwürfe quasi voll im Stress sind, weil sie nahezu 24 Stunden Nahrung zu sich nehmen müssen. Dass Pilze und Bäume wohl seit Millionen von Jahren im „Wood Wide Web“ miteinander kommunizieren. Dass es mehrere Tausend Jahre dauert, bis aus einem Stein Humus geworden ist. Und dass das alles irgendwie miteinander zusammenhängt - diesen Gesamtkosmos zeigt das Historische Museum in Speyer in seiner am Sonntag beginnenden Schau „Expedition Erde. Im Reich von Maulwurf und Regenwurm“. Bis 19. Juni ist sie zu sehen.
Das Haus widmet sich unter der Führung von Direktor Alexander Schubert zum ersten Mal einem explizit naturwissenschaftlichen Sujet. Aus zeitgeistiger Perspektive ist es ein fast logischer Entschluss, sich in der Phase intensiver Diskussionen um besseren Klimaschutz des Themas Erde anzunehmen. Jenes Element, das jeglicher Artenvielfalt wortwörtlich den Boden bereitet. Cathérine Biasini und Almut Neef, seit vielen Jahren die kreativen Köpfe hinter Mitmachausstellungen des Jungen Museums (JuMus), wollen den großen und kleinen Besuchern das notwendige Wissen mit auf den Weg geben, das es braucht, um sorgsamer mit diesem Lebensraum umzugehen.
Boden - ein endlicher Rohstoff
Der Gang durch die wieder einmal sehr durchdacht strukturierten Räume gerät zu einer Entdeckungstour in eine Welt, die wenige Zentimeter unter unseren Schuhsohlen beginnt und bis in den tiefen Untergrund reicht. Dass Boden eine endliche Ressource ist, wird dem Besucher erst bewusst, wenn er gezeigt bekommt, dass es schwere Maschinen in der Forstwirtschaft gibt, die etwa die Erde des Waldes durch ihr Gewicht derart verdichten, dass Hohlräume für Wasser, Luft und Lebewesen faktisch zerquetscht werden.
Es ist eine kleine Bildungsreise für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren, die das Museum hier anbietet - ein multimedialer Ausflug in die Welt der Roten Waldameise und der Erdhummel. Ein Labor macht sichtbar, wie Bodenorganismen arbeiten. Wie Eiszeit und Bodenbeschaffenheit zusammenhängen, ist nicht nur für Kinder eine interessante Frage. Einmal mehr haben auch ehemalige Schüler die Möglichkeit zu erfahren, wie das alles ist bei der Photosynthese und der Umwandlung von Wasser, Licht und Kohlenstoff in Glucose und Sauerstoff.
Sensibel macht der Ausstellungsbesuch für die Tatsache, dass das Erdreich durch das Zutun der Menschen in ähnlicher Weise bedroht ist wie die Luft oder das Wasser - und dass letztlich alles mit allem verbunden ist. Erosion, landwirtschaftliche Nutzung, Klimawandel - auch am Erdboden geht das nicht spurlos vorüber. Deshalb gibt die Schau auch einen Einblick, wie das einzigartige und lebensnotwendige Ökosystem des Erdbodens geschützt werden kann - von jedem Einzelnen.
In einem unterirdischen Labyrinth dürfen sich Kinder wie ein Bodenlebewesen fühlen - und sich als Springschwanz verkleiden. Sie können reale Erde anfassen und lernen, dass alleine auf einem Quadratmeter davon 3000 Billionen Bakterien leben. Dass Pflanzen durch die Wahl ihres Standortes etwas über die Qualität des Bodens ausdrücken, bleibt ebenfalls kein Geheimnis. Und dann wäre da noch zu klären, wie das so läuft mit der Kommunikation zwischen Pilzen und Bäumen, die sich gegenseitig über Fressfeinde informieren. Es ist das Geflecht im Boden, das als Info-Kanal dient, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.
Die Ausstellung, wurde vom Kindermuseum Zoom in Wien mit wissenschaftlicher Beratung der Universität Wien für Bodenkultur entwickelt. Unter der Anleitung von Cathérine Biasini und Almut Neef ist die Schau um interaktive Stationen ergänzt worden. Zur Ausstellung gibt es ein großes Begleitprogramm, unter anderem mit Vorträgen, Workshops, Filmvorführungen, Exkursionen und einer multimedialen Show des DJs und Naturschützers Dominik Eulberg, der am 25. November nach Speyer kommt.
Die Schau ist ab Sonntag zu sehen und endet am 19. Juni 2022.
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