Edenkoben. Die „Großtaten“ König Ludwigs I. von Bayern (1786 bis 1868) in der Pfalz gehören zum historischen Gemeingut der Region: Umbenennung des Rheinkreises in Pfalz sowie der Rheinschanze in Ludwigshafen, Restaurierung und Ausmalung des Speyerer Doms, Bau der Villa Luwigshöhe. Dies und mehr zeigt die Ausstellung über Ludwig I. im Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Anderes aber nicht. So zum Beispiel, dass der Monarch eine besondere Beziehung zu Edenkoben entwickelt, was dieser zwischen Neustadt und Landau gelegenen Kleinstadt viele Vorteile bringt.
Auf seiner Rundreise durch die Pfalz kommt König Ludwig I. im Juni 1829 nach Edenkoben, wo er festlich empfangen wird. Der königliche Hofrat von Jäger beschreibt die Szene: „Am Eingange der Stadt Edenkoben wurden ihre Majestäten von dem Munizipalrathe und den Bürgern und Frauen in Festkleidern erwartet. Der Bürgermeister (…) hielt eine passende Anrede und präsentierte dem allerdurchlauchtigsten Königspaare Wein Edenkobener Gewächses. Beyde Königliche Majestäten nahmen dieses allerhuldvollst auf und kosteten die dargebrachte Gabe des Fleißes der guten Landleute mit dem sichtbarsten Zeichen der Freude. Festlich geschmückte Jungfrauen, denen sich die Schuljugend in Feyerkleidern anschloß, überreichten Blumen und Gedichte.“
Während der einwöchigen Rundreise muss das Königspaar in Gasthäusern und Privatquartieren unterkommen, was vielleicht den Anlass dafür gibt, ein eigenes Domizil in der Pfalz zu errichten. Die Entscheidung für Edenkoben als Standort fällt aber erst 1843. Marie von Preußen, die Gattin des Kronprinzen Maximilian, soll mit ihrer Empfehlung den Ausschlag gegeben haben. Wie auch immer, der König entscheidet sich für eine Fläche oberhalb von Edenkoben, die aber teilweise auf Gemarkung des Nachbarortes Rhodt liegt. Prompt geraten sich beide in die Haare, und der Grundstückseigentümer hat die Entscheidung, zu welchem Ort die Villa gehören soll. Ludwig gibt der Gemeinde Edenkoben, „von deren treuen anhänglichen Gesinnungen Ich gleichfalls Beweise erhalten“, mit Schreiben vom 16. Februar 1853 den Zuschlag.
Privat finanziert
Ob er von den „anhänglichen Gesinnungen“ tatsächlich überzeugt ist, sei dahingestellt. Denn am badisch-pfälzischen Aufstand zur Durchsetzung der demokratischen Paulskirchenverfassung im Frühjahr 1849 nehmen auch Edenkobener teil. Zuvor, am 20. März 1848, hat Ludwig abgedankt. Ursache dafür war vor allem die Affäre mit der aus Irland stammenden Tänzerin Elizabeth Rosanna Gilbert, besser bekannt als Lola Montez. Als sie sich in Staatsgeschäfte einmischt und vom König 1847 zur Gräfin von Landsfeld erhoben wird, entlädt sich der Volkszorn, und Ludwig muss zurücktreten.
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Als Privatier verfügt der Monarch a. D. über weniger Mittel. Er finanziert den Bau der Ludwigshöhe aus seiner Privatschatulle, und die Fertigstellung erfolgt erst 1852. Am 6. Juli diesen Jahres kommt Ludwig zu einem längeren Aufenthalt, dann alle zwei Jahre, letztmals 1866. „Der Bau der Villa Ludwigshöhe ist ein Glücksfall für die Stadt. Wohl die wenigsten Edenkobener dürften damals geahnt haben, welche Bedeutung die Bauvollendung für die weitere Entwicklung ihrer Stadt haben sollte.“, schreibt Edenkobens Chronist und Ehrenbürger Herbert Hartkopf in der Stadtchronik. Denn der Verwaltungsstandort wird ausgebaut, neue Schulen entstehen. Der Tourismus erlebt einen phänomenalen Aufschwung. Viele kommen, um einen Blick auf Ludwig zu erhaschen oder zumindest die Villa zu bestaunen. Vor allem nach dem Bau des Bahnhofs, den Edenkoben ebenfalls Ludwig verdankt.
Ursprünglich sollte es nämlich keinen erhalten. Doch die Stadt wirft unter anderem das Argument in die Waagschale, dass ein solcher wegen der königlichen Besuche unverzichtbar sei. So schreibt Bürgermeister Völcker empört an das Innenministerium: „Wie sollte die Stadt Edenkoben Empfänge des Königs, der seinen Sommersitz auf Edenkobener Gelände gebaut hat, auf einem Bahnhof durchführen, der nicht auf Edenkobener Bann liegt?“
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Auch die Hoheit selbst wird aktiv, und am 30. September 1852 teilt sein Hofmarschall mit, dass Edenkoben einen Bahnhof erhalten werde. Der repräsentative „Königsbahnhof“ mit noblem Empfangssaal wird am 28. November 1855 eröffnet. Dort läuft bei den acht Aufenthalten eine immer ähnliche Empfangszeremonie ab: „Begrüßungsworte durch den Regierungspräsidenten der Pfalz, Dankesworte des Monarchen, Begrüßungsworte des Edenkobener Bürgermeisters, Gedichtvortrag einer Ehrenjungfrau; eine Ehrenjungfrau überreicht ein Fruchtkörbchen (mit Trauben); mehrere hundert empfangen die Hoheiten mit begeisterten Hochrufen; der Monarch schreitet in Begleitung der Vorstände des Krieger- und Militärvereins die Front der Vereine ab; es erklingt ein dreifaches Hoch auf die königliche Hoheit. Anschließend fährt das Königspaar vom Bahnhof durch die Straßen der festlich geschmückten Stadt, wo an der eigens errichteten Ehrenpforte eine Ehrenjungfrau den Ehrentrunk kredenzt.“ Viel Ehre für den König, der sicherlich froh ist, nach all dem Tamtam auf seiner Ludwigshöhe anzukommen.
Kirche mit Königsloge
Während der Aufenthalte in der Sommerresidenz besucht Königin Therese den evangelischen Gottesdienst in Rhodt, Ludwig den in Edenkobens katholischer Nepomukkirche. Das Gotteshaus erweist sich bald als zu klein, vor allem wenn der König samt Hofstaat kommt. Geschickt verweist der Pfarrer immer wieder auf die Enge und die hohe Verschuldung seiner Gemeinde. Letzteres bereinigt Ludwig. Zudem spendet er 4000 Gulden für die Erweiterung der Kirche. Den Beschluss für einen Neubau Anfang der 1880er Jahre erlebt der Monarch nicht mehr. Zu seinen Ehren ist der heilige König Ludwig IX. von Frankreich (gestorben 1270) Patron des am 24. August 1890 geweihten neugotischen Gotteshauses. Als Rarität gilt die Königsloge über dem Westeingang für die Hoheiten.
Edenkoben soll ein Krankenhaus erhalten, wofür 16 000 Gulden veranschlagt sind. König Ludwig spendet 10 000 Gulden und nimmt an der Grundsteinlegung teil. Kein Wunder, dass das Krankenhaus „Ludwigsstift“ benannt wird. Am 1. Januar 1866 öffnet die Einrichtung mit 28 Betten. Damit verbessert sich die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Bald reicht der Platz nicht mehr. In einer Denkschrift über die Notwendigkeit einer Erweiterung von 1927 wird unter anderem aufgelistet: „Sterbende müssen in Drei- bis Vierbettzimmern untergebracht, manche Patienten auf ein Sofa gebettet werden.“ Zwei Flügelbauten schaffen Abhilfe.
Im Oktober 1944 kommt im Ludwigsstift erstmals in Deutschland Penizillin zum Einsatz. Da in dieser chaotischen Endphase des Krieges keine geregelten Zulassungsverfahren möglich sind, gibt ein bei der Firma Hoechst beschäftigter Chemiker seiner Gattin, die als Ärztin im Edenkobener Krankenhaus arbeitet, unbürokratisch einige Dosen Penizillin mit. Diese spritzt sie einer todkranken Frau – sie überlebt.
So glorreich der Beginn, so jämmerlich das Ende. Im November 1986 wird bekannt, dass das „Ludwigsstift“ zum Jahresende schließt. Stadtbürgermeister Schmidt muss eingestehen, dass der Krankenhausbetrieb Verluste in Höhe von „eine Million plus X“ Mark angehäuft habe und betont, dass der Stadtrat die defizitären Wirtschaftspläne 1979 bis 1984 einstimmig gebilligt habe: „Niemand von uns hat sich die Mühe gemacht, den Defiziten nachzugehen und sie zu addieren“. Vergeblich kämpft eine „Aktionsgemeinschaft gegen die Schließung des Krankenhauses“. Noch nicht einmal beim Abschiedsumtrunk der Krankenhausbeschäftigten am 31. Dezember 1986 hält es die Stadt für nötig, diesen zu danken. Die Aktionsgemeinschaft kommentiert: „Wahrlich eine beschämende Angelegenheit. Wir sind geneigt anzunehmen, dass dies typisch für Edenkobener Verhältnisse ist.“ Wie der edle Stifter wohl über das Ende geurteilt hätte? Immerhin: kein Abriss, wie in Edenkoben nicht unüblich. Nun beherbergen die Gebäude das Seniorenzentrum „Ludwigsstift“.
Von den königlichen Aufenthalten profitiert die lokale Wirtschaft. Mancher Selbstständige darf sich über eine besondere Ehrung freuen, wenn auch erst unter Ludwigs Nachfahren. So erhält 1870 Karl Kausler das Privileg, sein Geschäft „Königliche Hofapotheke“ nennen zu dürfen. Das Gebäude samt Inschrift steht noch. (Weinstraße 71). Und ab Januar 1914 kann sich der Metzgermeister Philipp Bopp mit dem Titel „Königlich Bayerischer Hoflieferant“ schmücken. Ob das genug Mehreinnahmen bringt, um die dafür fällige Gebühr von 500 Mark an die Hofkasse auszugleichen?
Statue geköpft
1868 stirbt Ludwig in Nizza. Die Edenkobener vergessen ihn nicht. Am 21. Juni 1890 wird der Kirchplatz vor dem protestantischen Gotteshaus in Ludwigsplatz umbenannt, und am 29. Juni erfolgt die Einweihung des Ludwigsdenkmals in dessen Mitte. Für das Haus Wittelsbach nimmt der Enkel des Geehrten, Prinz Leopold von Bayern, mit Gattin Gisela, einer Tochter des Kaisers Franz Joseph von Österreich, teil. Der Landtagsabgeordnete Kuby erwähnt, dass die Plastik den König so zeige, „wie er unter uns gelebt und geweilt, wie er in unserer Erinnerung lebt“. Nämlich nicht mit Krone und Zepter, sondern in bürgerlicher Kleidung. Die Zeiten ändern sich: Während der Revolutionswirren nach Ende des Ersten Weltkriegs köpfen Unbekannte die Statue.
Beim Anblick der Inschrift auf einer Seite des Denkmals geht dem bekennenden Pfälzer das Herz auf: „Aufenthalt meiner Jugend, Pfalz, dich lieb ich und Euch Pfälzer, wie Ihr mich.“ Doch nicht im linksrheinischen Teil der Kurpfalz verbrachte der Wittelsbacher seine Jugend, sondern im rechtsrheinischen, in Mannheim, Heidelberg, Schwetzingen und Rohrbach bei Heidelberg. Deshalb setzt Ludwig nach der Niederlage Napoleons alle Hebel in Bewegung, dieses Gebiet beim Wiener Kongress für Bayern zu gewinnen. Aber der Aufenthalt seiner Jugend bleibt badisch. Wie Ludger Tekampe im Katalog zur Speyerer Ludwig-Ausstellung bemerkt: „Nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1825 dauerte es noch vier Jahre, bis er dem linksrheinischen Bayern seinen Antrittsbesuch abstattete.“ Sehnsucht sieht anders aus. Dass er aber Sympathien für die Pfalz entwickelt, zeigt sich beispielhaft am Bau der Villa Ludwigshöhe und an den großzügigen Spenden für Edenkoben. Auch nach über 150 Jahren ist der Gönner in Edenkoben unvergessen. An dem nach ihm benannten Platz steht nicht nur das Hotel „Ludwigs“, sondern auch die Gaststätte „König Ludwig Keller“, ein einst beliebter Biergarten, der laut Aushang nur noch für Events öffnet. Dass er noch in Edenkoben präsent ist, darüber würde sich Ludwig sicherlich freuen.
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