Interview mit Mannheimer Wissenschaftler

Warum faszinieren uns Zombies so sehr, Herr Wagenknecht?

Filme, Serien, Comics und sogar ganze Studien - nicht erst seit "The Walking Dead" sind Zombies ein popkulturelles Phänomen, das die Menschen fasziniert. Ein Professor der Uni Mannheim erklärt im Interview, warum das so ist

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Jakob Walter
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Dr. Andreas Wagenknecht ist Akademischer Oberrat am Institut für Medien- und Kommunikations­wissenschaft (Universität Mannheim) und neben Forschung und Lehre in der Geschäftsführung des Instituts tätig. © Wolfram Bliefert

Mannheim. Herr Wagenknecht, das Immobilienportal „Rentola“ fragt sich in einer Studie, wo man in Deutschland im Falle einer Zombieapokalypse am sichersten ist. Was halten Sie davon?

Andreas Wagenknecht: Wenn man die Studie als Medien- und Kommunikationswissenschaftler, der auch empirische Methoden der Sozialforschung unterrichtet, betrachtet und schaut, ob das methodischen wissenschaftlichen Kriterien entspricht, ist die Studie nicht sehr nachvollziehbar. Zum anderen beschäftige ich mich aber auch viel mit populär-kulturellen Phänomenen. Wenn man sich dann die Aufmachung der Studie anschaut, hat das natürlich sehr viele Anleihen an die Ästhetik von Zombiefilmen oder auch Comics.
Die Grundidee, wo man im Falle einer Zombieapokalypse in Deutschland am geschütztesten ist, finde ich ganz spaßig. Da befindet man sich schon mitten im Thema des Zombiefilms oder des Zombiemythos. Dass es eine Zombieapokalypse gibt, in dem Sinne, dass Zombies sich über eine Art Ansteckung oder über eine Art Virus verbreiten, ist etwas, was man im Film oder auch gerade in der Populärkultur erst in der neueren Zeit hat. Aber gerade im Hinblick auf unsere realen Corona-Erfahrungen, wo wir ja alle schnell festgestellt haben, dass es schon funktioniert, dass man bestimmte Leute separiert und Schutzmaßnahmen sowie weitere Vorkehrungen trifft, ist diese Studie recht interessant und mehrdeutig. Natürlich spielt sie auch ein bisschen ironisch mit dem Ganzen. Ich glaube, wissenschaftlich seriös ist das nicht und will das natürlich auch nicht sein.

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Wenn man bedenkt, dass die Studie von einem Immobilienunternehmen stammt, bekommt man auch eher den Eindruck, die Studie möchte sagen: „Raus aus der Stadt, lieber aufs Land!“

Wagenknecht: Ja, klar. Dadurch, dass durch die Digitalisierung, digitale Nomaden oder digitale Zombies (lacht) unabhängig vom Wohnort immer und überall fein fleißig arbeiten können, hat man natürlich eine starke Entwicklung dazu, dass die Leute eher auf dem Land leben, um der Großstadt zu entfliehen.

Die Studie zeigt also, wie präsent Zombies in der Popkultur sind. Dazu kommen zahlreiche Comics, Filme und Videospiele. In Illinois gibt es sogar einen „Zombie-Vorbereitungsmonat“. Warum faszinieren uns Zombies so sehr?

Wagenknecht: Wenn man unsere heutige Zeit betrachtet, dann sind Zombies medial omnipräsent. Sei es im Kinofilm, sei es in Serien, sei es im Streaming-Bereich, sei es in Videospielen und so weiter. Viele Jugendliche wachsen damit auf. Das ist schon ein Teil ihrer Mediensozialisation. Die Figur des Zombies, wenn man sie jetzt als filmische Figur nimmt, ist eine Figur, die man in sehr vielen verschiedenen Genres auf verschiedene Art und Weise beleben kann. Da sie eigentlich untot ist und wieder belebt wird, kann man sie in der Komödie oder im Horrorfilm aus gesellschaftskritischer Perspektive für viele Deutungen fruchtbar machen und einsetzen. Auch die Nähe dieser Figur zu lebensweltlichen Figuren ist spannend. Ich glaube, das ist ein Faszinosum, dass man sich fragen kann: „Wenn der Nachbar jetzt in der Zombie-Apokalypse zum Zombie wird, was mache ich dann? Kann man den jetzt umbringen? Eigentlich kenne ich ihn noch als netten Menschen.“

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Und warum funktioniert diese Faszination vor allem im Zombiefilm so gut? Was macht das Genre aus?

Wagenknecht: Der Zombiefilm ist kein eigenes Genre. Er ist ein Subgenre des Horrorfilms. Zombies sind mit Hinblick auf die Entwicklung des Horrorfilms lange etwas gewesen, was im metaphysischen oder phantastischen Bereich angesiedelt war. Erst seit den späten 50er Jahren, eigentlich mit „Psycho“ von Alfred Hitchcock, ist es so, dass die Bedrohung im Horrorfilm auch aus der unmittelbaren, realen, lebensweltlichen Umgebung kommen kann. Beim Zombiefilm ist das eine interessante Mischung, denn die Ursache der Zombifizierung kann im Bereich des übersinnlichen angesiedelt sein, die Zombies als solche sind aber dann häufig „verwandelte“ Figuren aus dem Umfeld der Protagonisten. Zombiefilme spielen auch meist nicht in Schlössern oder Burgen oder in fantastischen Welten, sondern in unserer Lebenswelt. Und wenn dann die Lebenswelt nur ein klein bisschen nach rechts oder links verschoben ist - nämlich, dass Tote wieder auferstehen -, dann wächst daran eine Art Faszinosum.

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Wie haben sich Zombiefilme im Laufe der Zeit gewandelt?

Wagenknecht: Ursprünglich ist das Subgenre in den 1920er Jahren entstanden. Der erste Film, in dem auch ein Zombie im Titel vorkam, ist „The White Zombie“ aus dem Jahr 1932. Das waren Filme, die sich eher an den ursprünglichen Zombie-Mythos orientiert haben. Das hängt mit dem Voodoo-Kult aus Haiti zusammen. Diese ersten Filme spielen damit, dass Menschen als Arbeitssklaven verwendet werden und durch magische Rituale gesteuert werden. Der Zombiefilm, wie wir ihn lange verstanden haben, wurde 1968 durch „Night oft he Living Dead“ des Regisseurs Romero bekannt. Zombies waren dann auferstandene Tote, die Menschen in verschiedenen Settings fressen und verfolgen. Ab 2000 - der maßgebliche Film war „28 Days Later“ – ist es dann meist ein Virus, der Menschen in Zombies verwandelt. Seit 2000 hat man aber auch nochmals eine totale Ausdifferenzierung des Zombie-Genres. Zum einen durch Filme von alten Helden, wie Romero oder aber auch interessante Filme wie „Warm Bodies“. Dort driftet das Genre dann eher in den Bereich des Coming-of-Age-Films ab. Dazu kommen Zombie-Musicals oder Komödien, obwohl der Zombiefilm schon immer eine teilweise unfreiwillig komische Dimension hatte. Aber gerade auf der visuellen Ebene hat man durch den asiatischen Film, wie zum Beispiel „Train to Busan“ eine Entwicklung hin zu mehr Action. Zombies sind plötzlich schnell und fallen wie eine Herde über Menschen her.

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Lässt sich dieser Wandel irgendwie erklären oder ist das eine ganz normale Weiterentwicklung eines Genres?

Wagenknecht: Der Zombiefilm nimmt damit die totale Dynamisierung und Beschleunigung unserer Gesellschaft auf. Alles geht immer schneller, immer weiter und immer höher. Gerade der Zombiefilm ist ein Subgenre, das gesellschaftliche Entwicklung thematisiert und reflektiert – so auch den Turbokapitalismus. Wenn der Zombie auch sonst nichts mehr kann, er kann konsumieren. Film muss sich, damit er Angst und Schrecken erzeugen kann, immer an gesellschaftlichen Entwicklungen abarbeiten.

Haben sie da konkrete Beispiele?

Wagenknecht: Mit Filmen wie „28 Days Later“ oder „World War Z“ lassen sich Parallelen zu Epidemien, wie Ebola, ziehen. In diesen wird dann mit der realen Angst gespielt, ob und wie sich solche Krankheiten verbreiten können. Der Horrorfilm ist schon immer ein Genre, welches sich ziemlich gut an realpolitischen Ereignissen abarbeitet und Fragen wie „Was sind die realen Bedrohungen und wie kann ich das filmisch überhöhen und überspitzen, aber damit trotzdem einen Anschluss finden?“ beantwortet.

Ich glaube, das ist ein Faszinosum, dass man sich fragen kann: „Wenn der Nachbar jetzt in der Zombie-Apokalypse zum Zombie wird, was mache ich dann? Kann man den jetzt umbringen? Eigentlich kenne ich ihn noch als netten Menschen.“
Andreas Wagenknecht Institut für Medien- und Kommunikations­wissenschaft (Universität Mannheim)

Wie lassen sich in diese Entwicklungen ironische Genrevertreter, wie „Shaun of the Dead“, „Zombieland“ oder „Dead Don't Die“ einordnen?

Wagenknecht: Wenn man Genre-geschichtlich herangeht, zeigen Filme, die etwas persiflieren oder ironisieren, dass sich ein bestimmtes Genre zu Tode geritten hat. Grundmechanismen eines bestimmten Genres oder Subgenres haben sich auserzählt und es kommt nicht mehr viel Neues dazu. Dann wird das Ganze ironisch gebrochen, um die Zuschauerinnen und Zuschauer zu erreichen, die sich in diesen Genres bewegen. Durch Persiflage wird das Genre nochmal am Leben erhalten, um im Anschluss dann oft in anderen Distributionskanälen in seiner ursprünglichen Form eine Wiederbelebung zu erfahren. Erfolgreiche Serien auf Streaming-Diensten, wie „The Walking Dead“, sind da sicher ein gutes Beispiel, da diese den Zombie wieder sehr ernst nehmen und dem Subgenre neue epische Dimensionen verleihen.

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Und was ist Ihr Lieblingszombiefilm?

Wagenknecht: Ich mag die Ursprünge. So finde ich „The White Zombie“ ziemlich interessant oder auch schon Vorgänger im Geiste wie den deutschen expressionistischen Film „Das Cabinet des Dr. Caligari". Es gibt aber auch Zombiefilme, bei denen auf einmal Wehrmachtssoldaten zu Zombies werden und im Schnee alles niedermetzeln. Das hat auf den zweiten Blick dann auch schon eine metaphorische Tiefe, die wieder gut zeigt, dass Zombiefilme Gesellschaftskritik üben und nicht nur plumpe Unterhaltung sind.

Redaktion Online-Redakteur, zuständig für redaktionelle Videos

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