Mannheim. Erlesene Stücke der Klassik, stilecht und erhaben dargeboten im Rittersaal des Mannheimer Schlosses: Das ist das Markenzeichen auch des 2. Schlosskonzerts des Kurpfälzischen Kammerorchesters in dieser Saison. Die Streichersinfonie Nr. 10 h-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy wiegt das Publikum ruhig in den Abend, auch wenn später zahlreiche kontrapunktische Motive eine gewisse emotionale Beschleunigung hervorrufen. Alles nach Plan soweit.
Nun „La Turca“: Wolfgang Amadeus Mozarts eingängiges Violinkonzert A-Dur ist Genuss pur, zumal von einer Kapazität wie Daichin Kashimoto, dem Ersten Konzertmeister der Berliner Philharmonie, als Solist vorgetragen. Der Japaner bringt die Ehrfurcht vor der hohen, aber auch enorm quirligen Kompositionskunst des Salzburgers mit. Bei seiner Interpretation kommt es eben nicht nur auf die saubere Intonation der akrobatischen Anforderungen an. Wo andere gern auch effektvoll mit physischer Präsenz auftrumpfen, setzt Kashimoto auf die Tiefe der Empfindung. Ein Erlebnis, wie er die Klippen der Partitur besonders im Adagio des zweiten Satzes mit der nötigen Geduld bewältigt. Bescheiden, mit großem Ernst, mitunter auch verschmitzt, steht er da. Immer überzeugend, konzentriert, mit leichtfüßigem Bogenstrich, der alle Schattierungen zum Klingen bringt.
Stimmungswechsel nach der Pause
Kompletter Stimmungswechsel nach der Pause. Genug der wohltemperierten Erlesenheit. Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ reißt die Zuhörer aus ihrer wohligen Wochenendstimmung. Dirigent Paul Meyer hat für den Konzertabend ausschließlich den düster wirkenden zweiten Satz des Streichquartetts Nr. 14 d-moll ausgewählt. Das Lebensende eine Qual und gleichzeitig Erlösung.
Wie Schubert dies in eine klangliche Einheit zusammengeführt hat, wie die Moll-Tonlage am Ende doch noch die Dur-Harmonie findet, ist außerordentlich. Ganz besonders auch das Mannheimer Orchester, angeführt von Konzertmeisterin Marie-Denise Heinen, die die Solopartien mit ambitionierter Leidenschaft einflicht. Wie die tiefen Streicher das Grollen der Mächte inszenieren, hin- und herwiegend im Dialog mit den Violinen: Das ist besonders Gustav Mahler zu verdanken, der die Orchesterfassung des ursprünglich als Quartett gedachten Stücks entsprechend zugespitzt hat. Alexis Scharff am Kontrabass setzt markant und warm den Boden.
Zum runden, nein aufstörenden Schluss ertönt Schostakowitschs Kammersinfonie c-Moll 110a, 1960 komponiert als Reflex auf die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Ein Aufschrei gegen sinnlose Gewalt, mit der ganzen Kraft seiner Tonkunst als eigenes Requiem konzipiert. Das Motiv, ein einfaches, tief ins Innere gehendes Fugato, mit dem die Sinfonie beginnt, kehrt in allen Sätzen wieder. Andächtig, bewegt agieren die 13 Musiker des Kammerorchesters. Wenn die Streichergruppen die unheildrohenden Unisono-Partien des Motivs ausdifferenzieren, zeigen sie sich als wunderbar kommunizierender Klangkörper. Ein vielschichtiger Konzertabend, der nicht nur heitere Seiten des Gemüts berührt.
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