Karlsruhe. In Karlsruhe trifft Tradition auf eine Gegenwart mit Zukunftsperspektive. Dieser Satz ist kein Werbeslogan für die ehemalige badische Residenzstadt, sondern beschreibt die Situation der dortigen Kunstsammlungen und ihre Präsentation. Die Staatliche Kunsthalle ist wegen der aufwendigen Sanierung des historischen Altbaus und des Anbaus aus den 1980ern seit anderthalb Jahren geschlossen und wird es noch mindestens fünf weitere bleiben. Nun kann das traditionsreiche Haus unter dem Titel „KunsthalleKarlsruhe@ZKM“ im Zentrum für Kunst und Medien aber immerhin einen repräsentativen Teil seiner hochkarätigen Sammlung zeigen.
Besinnung auf Medien der Kunst
Respektable 600 Werke sind im Obergeschoss des ZKM erneut sichtbar. Und weil man an einem Ort der Medienkunst eine Bleibe fand, ist die von der scheidenden Direktorin Pia Müller-Tamm konzipierte Präsentation auf diesen ausgerichtet. Eine Videoprojektion der Künstlerin Anna Henckel-Donnersmarck erinnert zu Beginn in wechselnden, interessanten Perspektiven an das Gebäude der Kunsthalle; und die ganze chronologische Präsentation ist auch eine Besinnung auf die Medien der Kunst, ihre Formen und Gattungen.
Programmatisch geht es los mit einem klassischen Tafelbild: Martin Schaffners „Die Heiligen Petrus und Paulus mit dem Schweißtuch der heiligen Veronika“ (1518) illustriert das immerwährende Versprechen, dass künstlerische Bilder mehr sind als bloße Abbilder und Verweise, denn das Tuch soll ja nicht weniger zeigen als den echten Abdruck von Jesu Antlitz. Im folgenden Raum mit Alten Meistern ragen, zwischen Hans Baldung oder Lucas Cranach, zwei hochwertige Stücke noch besonders hervor - die restaurierte und geradezu farblich strahlende „Kreuztragung Christi“ von Matthias Grünewald sowie der kleine, feine „Schmerzensmann“ Albrecht Dürers, der vor dem offenen Grab sitzt und den Betrachter nachdenklich anblickt. In Letzterem mag man auch einen Verweis auf Kommendes sehen, denn natürlich ist auch das den Betrachter eindringlich fixierende Selbstporträt Rembrandts aus dem Bestand ein Teil der neuen Präsentation. Bis man zu ihm gelangt, lädt noch eine Zwischenstation zur eingehenden Betrachtung ein.
Zwei neue Präsentationen im ZKM
- „KunsthalleKarlsruhe@ZKM“ sowie „Renaissance 3.0“ sind im Zentrum für Kunst und Medien, Lorenzstraße 19, in Karlsruhe zu sehen. „Renaissance 3.0“ endet am 7. Januar.
- Öffnungszeiten: Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr.
- Zur Präsentation der Kunsthalle gibt es ein digitales Begleitprogramm, das auch vier thematische Führungen umfasst.
- Allgemeine Informationen zu den aktuellen Präsentationen in den Räumen des ZKM im Internet unter kunsthalle-karlsruhe.de sowie www.zkm.de
Der Grafikraum zeigt einen Ausschnitt des Kupferstichkabinetts: Meisterhafte Stücke sind das, deren Detailreichtum und feine Strichsetzung den medialen und formalen Unterschied zur Malerei leicht ersichtlich machen. Gattungsblöcke gliedern die Präsentation ebenso wie bestimmte Themen und Genres, so nimmt die „Kunst der Verführung“ unter den älteren Werken breiten Raum ein; einen kleinen Akzent setzen auch plastische Werke. Erwartungsgemäß finden sich hier zudem zahlreiche Stillleben. In zeitlicher und räumlicher Nähe zu Rembrandt verdient das ebenfalls durch seine Intensität überdauernde Rubens-Porträt des sterbenden Seneca Erwähnung. Und in dessen Nähe ist auch jene Frau porträtiert, der die Stadt und das Land einen wesentlichen Teil dieser Sammlung verdanken: Markgräfin Karoline Luise.
Französische Malerei
Jean Chardin markiert einen historischen Ausgangspunkt für die französische Malerei, die einen Schwerpunkt der Kollektion bildet; für ihn ist diese weithin bekannt, repräsentiert ist er im ZKM nicht zuletzt durch hochkarätige Impressionisten. Ihnen voraus geht eine Stippvisite bei Rokoko, Romantik und Realismus, und es folgen dann noch einige wesentliche moderne und zeitgenössische Künstler. Zumeist weniger bekannte Künstlerinnen werden ebenfalls hervorgehoben - und außerdem die dem Museum überlassenen Sammlungen Röchling und Stiegler, welche letztere mitgeholfen hat, dem neuen Sammlungsgebiet der Fotografie einen breiten Grund zu bereiten. Kein Wunder, dass auch diesem besonderen Medium noch ein eigener Raum gewidmet ist.
Stoff zur Auseinandersetzung
Es ist eine Schule des Sehens und Staunens, die hier versammelt ist. Gleich darunter findet man im ZKM dagegen eine Kunst, die sich dem Nicht-Sichtbaren oder leicht zu Übersehenden widmet. Unter dem Titel „Renaissance 3.0“ wird reichlich Stoff zur Interaktion und Auseinandersetzung geboten. Konzipiert wurde sie noch von Peter Weibel, dem langjährigen, kürzlich verstorbenen Leiter des ZKM, und sie spürt dem Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft nach.
Der Argentinier Tomás Saraceno macht ein überdimensioniertes Spinnennetz zum Erfahrungsraum, andere Arbeiten thematisieren das Röntgenverfahren, die Mikroskopie oder nutzen die Fähigkeiten von Bakterien. Es geht darum, wie wissenschaftliche Forschung die Kunst inspiriert und inwieweit Kunst selbst Forschung ist. Der Schweizer Michael Winterberg macht die Eisschmelze erfahrbar und verdeutlicht zudem Folgen elektronischer Kommunikation sowie neuer Unterhaltungsformate fürs Klima. Im Zentrum steht ein wiederum interaktives „Wissensfeld“, das mit zentralen wissenschaftlichen Begriffen vertraut macht. Auch hier schärft man den kritischen Blick. Dass dies im Falle der ZKM-Schau etwas abstrakter geschieht, liegt in der Natur der Sache. Es ändert aber nichts daran, dass beide Institutionen, das ZKM wie die Kunsthalle, doch erstaunlich gut unter ein Dach passen.
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