Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg

IFFMH: Zwei besondere Titel in der "Pushing the Boundaries"-Sektion

"Delegation" bietet unverblümte Einblicke in die polnische Geschichte, im Mittelpunkt ein Coming-of-Age-Drama im Schatten des Holocausts. "Südsee" schildert die Reise zweiter Seelen, die durch Liebe und Verlust verbunden sind

Von 
Martin Vögele
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Asaf Sabans Film führt in die tiefen Gefühlswelten von Ido (v. l.), Nitzan und Frisch, während sie sich inmitten geschichtsträchtiger Kulissen bewegen. © Natalia Laczynska

„Seid vorsichtig, denn wir sehen wie Israelis aus. Man sieht, dass wir Juden sind. Und das mag nicht jeder“, sagt der unsichtbare Sprecher eines Sicherheitsvideos, das auf der Busfahrt ins Hotel gezeigt wird. Die Passagiere verhalten sich dazu, wie man es als junger Mensch manchmal gerne tut: halb interessiert bis amüsiert. Die israelischen Schülerinnen und Schüler haben gerade ein einstiges nationalsozialistisches Konzentrationslager besucht, und sie werden auf ihrer Klassenreise durch Polen weitere sehen.

Unprätentiös und sensibel

Es gibt immer wieder bedrückende Momente in Asaf Sabans Film „Delegation“, der in der „Pushing the Boundaries“-Kategorie des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg gezeigt wird: Wenn die Klassen über einen jüdischen Friedhof laufen, wenn sie in einen alten Waggon steigen, durch die Korridore der Gedenkstätten laufen und die Kamera stille Beklommenheit oder offenen Schmerz einfängt. Zugleich ist die polnisch-israelisch-deutsche Produktion ein Coming-of-Age-Drama, in dessen Zentrum das Dreigespann Nitzan (Neomi Harari), Frisch (Yoav Bavly) und Ido (Leib Lev Levin) steht, eine Schülerin und zwei Schüler, deren Beziehungsverhältnisse nicht ausformuliert sind.

Zwischen ihnen gibt es dynamische Anziehungs- und eifersüchtige Fliehkräfte, sie sind affektiv, emotional und so verstockt, wie man nur sein kann, wenn man gerade ergründet, was Erwachsensein wohl bedeuten mag. Dabei gelingt dem Film Erstaunliches: Weder seine Figuren unter der überwältigenden Last der historischen Rahmensetzung zu erdrücken, noch die Schatten der Vergangenheit wie bloßen Kulissen-Effekt wirken zu lassen. Vielmehr ist „Delegation“ unprätentiös und sensibel ganz bei sich und dem – glänzend gespielten – Dreiergespann im Herzen der Erzählung.

Suche nach Halt in der Welt

Nach Israel führt uns ein anderer Beitrag derselben Filmfestival-Sektion: „Südsee“ von Regisseurin Henrika Kull beginnt mit einem Bad im sonnenbeschienenen Pool – und mit Abfangraketen, die unter Alarmsirenengeheul am Himmel detonieren. Die Frau im Pool ist Anne (Liliane Amuat), die zusammen mit Nuri (Dor Aloni) einige Zeit im Haus seiner Eltern in den Bergen zwischen Tel Aviv und Jerusalem verbringen will. Beide kennen sich flüchtig, sie ist Deutsche, die „eine Sehnsucht“ mit Israel verbindet, er ist Israeli, der über Deutschland sagt: „Ich liebe dieses Land.“

Nuri ist vor einigen Jahren nach Berlin gekommen, wo er ans Theater gefunden hat und gerade seine Masterarbeit über Martin Bubers dialogisches Denken schreibt. Anne ist Drehbuchautorin und arbeitet an einer Liebesgeschichte über eine Deutsche und einen Israeli, einen ehemaligen Soldaten. Es gehe darin „um Schuld und Vergebung“, sagt sie, und offenbar sind eigene biografische Elemente in diese Geschichte eingewoben.

Die beiden sprechen über Pazifismus und Verteidigung, über Verbundenheit mit einem Land und seinen Menschen und über die Lücke, wo dieses Gefühl fehlt. Und viel über sich selbst. „Südsee“ ist gleichsam ein Kammerspiel am Pool, das in durchaus sehenswerter Weise die Hitze und sinnliche Spannung seiner Konstellation einfängt – und dabei innere Leerstellen und die Suche nach Halt in der Welt spürbar macht.

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