Premiere (mit Fotostrecke)

Ende der Corona-Pause: Mannheimer Palazzo ist zurück vor Live-Publikum

Von 
Markus Mertens
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Glamour live statt im Livestream. Palazzo – hier mit Sänger Rüdiger Skoczowsky und dem Revue-Ensemble – ist zurück im Spiegelzelt. © Christoph Blüthner

Mannheim. Die Euphorie ist an diesem Premierenabend im Spiegelzelt mit Händen zu greifen. Nachdem die Corona-Pandemie auch Mannheims bekanntestes Varieté-Format auf einen Online-Stream und die damit verbundenen Kochboxen ins traute Heim der Gäste verlagerte, ist Palazzo nun wieder live und in Farbe zu erleben. Und so sagt Palazzo-Chef Rolf Balschbach dem „MM“ schon vor der Aufführung: „Wenn Sie mehr als 20 Jahre damit verbringen, eine Leidenschaft in die Tat umzusetzen, und dann ausgebremst werden, ist das wahnsinnig schwer zu verkraften. Wir sind eines der wenigen Formate, die es in diesem Jahr wieder gewagt haben - und wir sind wahnsinnig stolz darauf.“

Diesen Stolz bekommen die Premierengäste in satten 240 Minuten in allen denkbaren Formen zu spüren. Allein die Show-Einlage, die Sänger Rüdiger Skoczowsky an der Seite des Revue-Ensembles zum Auftakt mit „The Show must go on“ auf die Manege legt, zeigt die kräftige Aufbruchstimmung im Spiegelzelt. Auch das Servicepersonal zelebriert das Servieren der Gänge mit einem Enthusiasmus, der jede Essenspause zum triumphalen Einmarsch von Botschaftern des Genusses werden lässt. Doch auch sonst bewahrheitet sich eine Hochstimmung, die sich an diesem Abend überträgt.

Kultur

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Mit den träumerischen Sandmalereien aus den Händen von Natalya Netselya sanft ins Programm geleitet, verwebt der Abend körperliche Grenzleistungen mit emotionalem Tiefsinn - in stets variierender Intensität. Denn während die akrobatisch feinjustierte Strapaten-Übung von Flight of Passion im Zeichen von Macht und Leidenschaft gleichermaßen steht, sind es die atemberaubenden Verrenkungskünste von Alexander Batuev, die - ganz im Matrix-Agenten-Look - für eher humorvolles Staunen sorgen.

Es ist dieses dramaturgische Meisterstück, das Chefregisseur Stefan Huber auch und vielleicht ganz besonders in diesem Jahr so souverän gelingt: Die martialischen Schleuderbrett-Salti der Karpovich Brothers so elegant, rund und stimmig mit der Tuchakrobatik von Golden Dream zu verzahnen, dass Brüche nicht nur ausbleiben, sondern die Stunden im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Dass Huber dabei die tänzerische Imposanz des Duo Ebenezer im Blick behält, aber auch die Klassiker der Rollschuh-Akrobatik von Skating Flash nicht vergisst, stellt unter Beweis, dass Schauwerte und Tradition sehr wohl vereinbar sind. Zwar lässt sich über den Understatement-Humor eines Steve Eleky durchaus streiten, dafür landen die Verantwortlichen mit der Handstandakrobatin Viktoriia Dziuba eine echte Entdeckung, der in Zukunft sicher die Welt der Schaubühnen gehören wird.

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Auf der gastronomischen Bühne freilich verleiht Sternekoch Harald Wohlfahrt dem Abend fast schon traditionell Größe und Würde. Dass man sich bewusst dazu entschlossen hat, bei dem Menü zu bleiben, das sich auch schon im zurückliegenden Jahr so mancher Überzeugungstäter als tiefgekühlte Variante an den eigenen Herd orderte, zeigt, dass große Küche aus den Händen echter Profis noch einmal eigene Maßstäbe setzt.

Ohnedies sind die Genusszeiten zwischen den Darbietungen viel mehr als der Blick auf Teller zwischen Ceviche vom Tiefseeshrimp und sous-vide-gegarter Maispoularde. Die Gespräche üben sich im Versuch, all das aufzuholen, was auch Mannheim und dem Rhein-Neckar-Raum über eineinhalb Jahre hinweg fehlte: Hochkultur in bester Gesellschaft. Das ausgegebene Motto für diese Spielzeit „Zurück zur Lebensfreude“ bleibt so für die kommenden Wochen und Monate nicht nur eine Behauptung, sondern ein erlebtes Fest, an dem man teilhaben darf. Dass sich Palazzo hierfür bewusst zwischen verlässlicher Größe und Neuentdeckung positioniert, krönt einen Abend, der keinen Pomp braucht, um zu überzeugen und zu begeistern. Denn Stil, so viel darf man sagen, reduziert sich in diesem Zelt keineswegs auf Superlative. Eine Auszeichnung für Künstler und Publikum, die sich um kurz vor Mitternacht gegenseitig feiern - und das zu Recht.

Freier Autor

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