Sinsheim. Es sind Fotografien von bezaubernder Schönheit. Doch der direkte Vergleich der Bilderpaare zeigt auf eine erschreckende Weise, wie sehr der Klimawandel der Natur zusetzt. Die Klima Arena in Sinsheim präsentiert eine neue Sonderausstellung. „Auf den Spuren der Gletscher“ heißt die Schau, die erstmals in Deutschland zu sehen ist. Dahinter steckt ein hochambitioniertes Projekt des italienischen Fotografen Fabiano Ventura.
Rund 100 Jahre liegen zwischen den Bildern - nicht mal ein erdgeschichtlicher Wimpernschlag. Aber trotzdem hat diese Zeit gereicht, zahlreiche Gletscher auf der Welt kräftig abschmelzen zu lassen. Die Stirnseite des Muir-Gletschers in Alaska ragte 1891 noch 250 Meter hoch und reichte bis unterhalb des Mount Wright-Gipfels. 122 Jahre später hat sich der mächtige Gletscher um mehr als 40 Kilometer zurückgezogen (siehe nebenstehende Bilder). Vom identischen Standpunkt des Fotografen ist das Eis heute nicht mehr zu sehen.
Zwölf Jahre hat der Naturfotograf und leidenschaftliche Bergsteiger an der Ausstellung gearbeitet. Sechs fotografisch-wissenschaftliche Expeditionen hat er mit seinem Team seit 2009 unternommen: In den Kaukasus, den Karakorum, ein Gebirge in Südasien, nach Alaska, in die Anden, ins Himalaya und zuletzt auch in die Alpen. Überall suchte er genau diejenigen Perspektiven auf, die Fotografen vor 100 Jahren ebenfalls abgelichtet haben. Derselbe Standplatz, dieselbe Jahreszeit, dieselbe Tageszeit sollte es sein - damit kein falscher Schattenwurf den direkten Vergleich der Landschaft trüben konnte. Akribisch suchte er den richtigen Blickwinkel. Auf diese Weise hat er nun dokumentiert, wie schnell die Gletscher überall auf dem Globus abgeschmolzen sind. Damit hat er zugleich das größte existierende Archiv vergleichender Fotografie über die Variationen von Gletschermassen geschaffen.
Zudem hat Ventura Forschern der Zukunft die Arbeit erheblich erleichtert: Neben weiteren Daten hielt das Team auch die exakten Geopunkte der Fotostandorte fest. „Damit künftige Fotografen in 100 Jahren weitere Bilder von der selben Stelle aus machen können“, beschreibt Ventura seine Intention.
Mit seinen wundervoll fotografierten Bildern will er die Menschen emotional erreichen, sensibilisieren, ihnen aufzeigen, was der menschengemachte Klimawandel schon alles bewirkt und unwiederbringlich zerstört hat. „Wenn wir die Natur nicht respektieren, respektieren wir uns selber nicht“, sagt er. Alleine die geschmolzenen Eismassen in Alaska haben den Meeresspiegel um einen Zentimeter steigen lassen, referiert der Fotograf Forschungsergebnisse nordamerikanischer Wissenschaftler. Der dramatische Schwund lässt sich auch in Europa beobachten. Der Marmolada-Gletscher, der einzige in den Dolomiten, hat in 100 Jahren rund 70 Prozent seiner Fläche verloren. „Er schrumpft um 30 Meter pro Jahr. In 20 Jahren wird er vermutlich ganz verschwunden sein“, prognostiziert Fabiano Ventura vor dem Bilderpaar in der Ausstellung.
Fabiano Ventura
- Der italienische Landschaftsfotograf und Extrembergsteiger engagiert sichseit 2007 für das Langzeitprojekt „Auf den Spuren der Gletscher“.
- Begleitet wird er bei seinen Expeditionen von Forschern, die ergänzend zu den Fotografien wissenschaftliche Daten erheben. Insgesamt sind 21 Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt.
- Bei den Forschungsreisen entstanden 314 Vergleichsfotos und drei Fernsehdokumentationen. bjz
„Die größte Herausforderung“
Die Sonderausstellung in der Klima Arena kommt zu einem geradezu idealen Zeitpunkt und findet in dem Haus in Sinsheim einen perfekten Partner. „Es ist die größte Herausforderung unserer Zeit, wie wir dem menschengemachten Klimawandel begegnen“, formuliert Bernd Welz, Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung für Bürger, als Hausherr und wendet den Blick nach Glasgow und Berlin. In der schottischen Stadt findet schließlich jetzt der Klimagipfel der Vereinten Nationen statt. Und in Berlin bildet sich die neue Bundesregierung. „In der nächsten Zeit fallen Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen werden“, sagt Welz. Der Wandel könne aber nur gelingen, wenn die Menschen mitmachen. Die Klima Arena wolle sowohl mit ihrer Dauerausstellung als nun auch der Sonderschau dabei helfen, Zusammenhänge zu verstehen und Handlungsansätze aufzeigen, was jeder selbst tun könne, um dem Klimawandel zu begegnen.
Die Sonderausstellung „Auf den Spuren der Gletscher“ ist absofort bis zum 29. Mai kommenden Jahres in der Klima Arena (Dietmar-Hopp-Straße 6, Sinsheim) zu sehen. Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 9,50 Euro, ermäßigt 6 Euro. Kinder bis 5 Jahre haben freien Eintritt.
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