Mannheim. Schon der Auftakt ein Erlebnis, die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz wiegt schwelgerisch in den Konzertabend. Wie zum Auftakt eines Historienfilms entwickeln sich in der Ouvertüre zu Carl Loewes Oratorium „Palestrina“ sanft die Motive. Eine ungewöhnlich reizvolle, fast anachronistisch anmutende Mischung zwischen Romantik und Renaissance tut sich in der Christuskirche auf. Dirigent Tristan Meister hat für seinen professionell besetzten Chor „Vox Quadrata“ für das Jahr 2025 einen selten guten Stoff gefunden. Ein nur einmal aufgeführtes Werk aus dem Jahre 1845, das die Verdienste des genau vor 500 Jahren geborenen Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina herausstellt.
Palestrina steht an der Schwelle zwischen der „reinen“ Lehre, die weltliche Musik und volkstümlicher Kultur in der Kirche auszuschließen versuchte, und den Bestrebungen, den polyphonen Stil mit verständlichen Texten weiterzuentwickeln. Auf dem Konzil von Trient ist diese Frage entschieden worden: Palestrina bekam mit der eigens komponierten „Missa Papae Marcelli“ den Zuschlag, und dazu ein hohes Amt an der Peterskirche zu Rom.
Ein gemeinsamer Klangkörper, in allen Stimmlagen sicher
Eine geschickte Dramaturgie entfaltet diesen Entscheidungsprozess, in dem Palestrina, seine Frau Fiammetta, Winzer, Jesuiten und päpstliche Krieger miteinander streiten. Rezitative, Quartette, Solisten, Chor und Orchester folgen rasch aufeinander. In die schwärmerische Musik von Carl Loewe mischen sich immer wieder ganze Partien, die von Palestrina stammen: etwa ein ehrfürchtiges „Ave Maria“ oder ein jubilierendes „Hosanna“.
Tristan Meister leitet dieses abwechslungsreiche Szenario mit sicherer Hand, justiert gefühlvoll die Dynamik. Die mit jungen Sängern herausragend besetzte „Vox Quadrata“ ist als gemeinsamer Klangkörper deutlich präsent: in allen Stimmlagen sicher, aufmerksam, nach Bedarf stufenlos zwischen zarter und kraftvoller Intonation modulierend.
Thematisch und auch musikalisch passend die Wahl des zweiten Werks für den Abend: die Kantate „Die erste Walpurgisnacht von Felix Mendelssohn Bartholdy“, die sich mit den Mächten des Untergrunds, dem Kampf zwischen Druiden und christlichen Wächtern beschäftigt. Chor und Orchester können hier noch einmal eine Spur dynamischer den dialogischen Charakter der Stimm- und Instrumentengruppen akzentuieren.
Wo „Zacken und Gabeln, Kauz und Eule“ in der Textvorlage schon heftig klappern, gestaltet Mendelssohn diesen Teil mit stürmischen Rhythmen zu einem kathartischen Gewitter. So wird der Konzertabend zu einem besonderen Erlebnis der Kirchenmusik: weil beide Werke an die Grenzen des Rahmens stoßen. In der finalen Zeile die Botschaft „Dein Licht, wer kann es rauben“: Gilt sie dem Glauben oder der Musik? Kein Zweifel, Beidem!
Bei den Solisten hervorzuheben sind Tenor Lukas Siebert, Sopranistin Johanna Beier und Bariton Johannes Hill. Lukas Siebert erscheint in seiner Rolle des erzählenden Palestrina gestisch sehr dem Publikum zugewandt und stimmlich präzise. Johanna Siebert als seine Gattin Fiammetta besticht durch ein wohl austariertes Volumen und warmes Timbre. Johannes Hill, als Priester bei Mendelssohns „Walpurgisnacht“ mit tragender Rolle ausgestattet, gefällt besonders durch seine glaubwürdige emotionale Stimmführung.
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