Tanz

„Thisispain“: Parcours menschlicher Irrungen

In „Thisispain“ stellt Hillel Kogan auf der Pfalzbau-Bühne mal humorvoll, mal politisch Identitäten infrage, während Mijal Natan aus dem Flamenco schöpft.

Von 
Nora Abdel Rahman
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Hillel Kogan und Mijal Natan in "Thisispain". © L. Boulud

Ludwigshafen. „Pain“ steht in weißen Lettern auf dem schwarzen Vorhang, der die Rückwand der Hinterbühne im Theater im Pfalzbau bildet. Nur zwei Stühle und ein seltsames Paar Holzböcke bevölkern die dunkle Bühne. „Pain“ steht in der Tanzarbeit von Hillel Kogan nicht für das französische Wort „Brot“ – obwohl der in Israel ansässige Choreograf auf diese sprachlichen Möglichkeiten anspielt, sie in seinem Stück eben gerade doch mit Humor und abgründigem Witz ausspielt. Denn französische Mentalitäten werden sehr wohl in „Thisispain“ – so der Titel von Kogans Werk – aufgegriffen und mit einem anderen europäischen Land verglichen. Es geht ihm um „Spain“. Zu Spanien gehört der Flamenco, den der 19-jährige Tänzer Kogan während seiner klassischen Tanzausbildung dank einer herausragenden Lehrmeisterin für sich entdeckt hat. Nimmt man aber „Spain“ das „S“, bleibt „Pain“.

Schmerz, Qual und Strafe – so wird das englische Substantiv „Pain“ übersetzt, das Kogan seiner Performance zusammen mit der Tänzerin Mijal Natan einschreibt. Zu Beginn lässt Natan frontal zum Publikum in schwarzen Leggings und mit knappem Oberteil ihre Füße sprechen wie eine Kampfansage mit geöffneten Armen. Abschließend schnippst sie mit den Fingern und setzt erneut an. Dieses Mal nimmt sie die Diagonale, während ihr der künstlerischer Partner Kogan ein für den Flamenco typisches Lied entgegen schmettert. Es offenbart den Schmerz über Liebe und Vergänglichkeit. Dagegen protestiert die Flamenco-Tänzerin mit galoppierenden Schrittfolgen und selbstbewussten Wendungen ihres Körpers.

Abgründe von Sprache, Tanz, Gesang

Danach geht das Duo ins Zwiegespräch, das Kogan mit einer Fülle von sprachlichen Anspielungen und absurden Geschichten spickt. Dabei dreht sich alles kongenial um den eigenen Lebensweg und den seiner Partnerin, um Herkunft und Identität sowie die Migrationsbewegungen von Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Über Spanien schwärmt Kogan als einen fantastischen Ort zum Leben mit gutem Essen, klasse Wein und einer wunderschönen Sprache, die sogar sexy ist. Dabei gibt er Beispiele für die weiche Aussprache, etwa in den Wörtern Jesus oder Gitano. Und selbstverständlich ist jeder Begriff des Choreografen bewusst gewählt, um die Assoziationsketten loszutreten. Jesus wird neben die Volksgruppe der Sinti und Roma positioniert, um vom Klang einer Sprache mittelbar auf ihre politische und gesellschaftliche Dimension zu verweisen. Grandios spielt der Künstler mit der Oberfläche von Sprache, Tanz und Gesang, um im nächsten Moment ihre Abgründe aufzutun.

Es ist die Liebe zum Flamenco, die beide Performer teilen. Sein Potenzial für Leid und Leidenschaft öffnen sie, um den Parcours menschlicher Irrungen zu entwerfen. Immer wieder zitiert Kogan dafür aus der Geschichte, um daneben ein vieldeutiges Tanzvokabular zu zeigen, das die oft komischen Anspielungen in grandiose Körperbilder übersetzt. So wird aus einem einfachen Besen zwischen den gekreuzten Beinen des Duos ein mehrdeutiges Zeichen: mal ist es wie ein verlängertes Körperteil, das Spuren hinterlässt; bald ist es ein Kopfschmuck, eine Gitarre, ein Ruder und schließlich eine Waffe. Dazu tönt Carmen aus Georges Bizets Oper über die Liebe als rebellischem Vogel. Was könnte hier besser passen? Und ja, „Thisispain“!

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