Theater

Taeter-Theater in Heidelberg eröffnet Spielzeit mit „Mein Kampf“-Lesung

Die neue Spielzeit am Taeter-Theater in Heidelberg beginnt und Wolfgang Graczol liest aus Hitlers „Mein Kampf“. Warum er nicht vorhat, Kabarett zu machen.

Von 
Martin Vögele
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Intendant und Schauspieler Wolfgang Graczol am Heidelberger Taeter-Theater. © Martin Vögele

Heidelberg. „Startschuss mit Hitler“ steht auf dem Plakat zur neuen Spielzeit, das zentral an der Eingangstür zum Heidelberger Taeter-Theater hängt. Das Bild hinter der Schrift zeigt eine Hand, die einen Startrevolver hält, den Finger am Anzug. Dort treffen wir Intendant und Schauspieler Wolfgang Graczol zum Gespräch, worin es vor allem um just jene Darbietung gehen wird, auf die sich die gerade zitierten Worte beziehen: Mit einer Lesung aus Hitlers Hass- und Hetzschrift „Mein Kampf“ eröffnet Graczol am Samstag, 13. September, die 39. Saison des 1987 von ihm und seiner Frau Anne Steiner-Graczol gegründeten Hauses.

Lesung von Hitlers „Mein Kampf“ im Taeter-Theater in Heidelberg: Warum jetzt?

Warum „Mein Kampf“ und warum jetzt? Vor drei, vier Jahren habe ihm jemand das Buch gegeben, berichtet Graczol, verbunden mit dem Hinweis, dass der österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger das schon gemacht habe (in den 1970ern), wie einige andere auch. Er las einige Seiten, befand: „Das ist ja furchtbar“ und stellte das Buch ins Regal zurück.

Weil wir in einer Zeit leben, wo seltsamerweise die Mächtigen der Welt sich anschicken, vieles vom Hitler zu kopieren.
Wolfgang Graczol Intendant und Schauspieler

„Und jetzt machen wir es eben“, sagt der 1942 in Wien geborene Theatermacher lakonisch und fügt hinzu: „Weil wir in einer Zeit leben, wo seltsamerweise die Mächtigen der Welt sich anschicken, vieles vom Hitler zu kopieren – und das ist wirklich beängstigend.“ In der Pressemitteilung zur Premiere findet sich ein Zitat aus Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Aturo Ui“: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Die finale Form der Lesung von „Mein Kampf“ im Taeter-Theater in Heidelberg noch im Werden

Einen einzigen Anruf dazu habe das Theater hierzu bislang erhalten, „da wollte eine Frau wissen, wie wir das machen“ – ob als Kabarett oder mit Anmerkungen versehen. „Ich habe gesagt: weder noch“, erläutert Graczol. Er habe sich die Qualtinger-Darbietung auszugsweise angehört. „Der Qualtinger war Kabarettist und ich bin Menschendarsteller. Und in mir ist ein aufklärerischer Impuls“, meint er. „Der Mensch ist das rätselhafteste Wesen auf Erden, und in allen Stücken versuche ich, mich in die Figuren einzuleben, einzudenken in ihre Seelen. Warum sie so sind, wie sie sind. Ob das jetzt Tschechow ist oder ob’s Kafka ist oder sonst wer.“ Diesen Weg wolle er auch bei „Mein Kampf“ gehen.

„Aber eins muss ich dazu sagen: Einen Oberlippenbart werde ich mir keinen kleben“, konstatiert der Mime. Gleichwohl ist die finale Form der Lesung noch im Werden: „Ich suche noch, ich muss noch finden, es ist ein Experiment“, meint er. Aber er habe nicht vor, verdeutlicht Graczol noch einmal, Kabarett zu machen und auch nicht, „jeden dritten Satz zu kommentieren“ – dann könne man sich auch die kommentierte „Mein Kampf“-Ausgabe kaufen.

Programm im Taeter-Theater in Heidelberg in der neuen Spielzeit

Die Lesung wird im September nur einmal aufgeführt, aber „ich werde es bestimmt auch wiederholen“, stellt Graczol in Aussicht. Im Übrigen gibt es im selben Monat zwei weitere Stücke, die sich mit Krieg und Zwischenkriegszeit befassen: der Theater-Kabarett-Monolog „Der Herr Karl“ von Helmut Qualtinger und Carl Merz (14.9.) sowie eine Lesung aus Karl Kraus‘ Satire-Monument „Die letzten Tage der Menschheit“ (28.9). Außerdem werden wieder aufgeführt:

  • Edward Albees „Die Zoogeschichte“ (20.9)
  • Kafkas „Das Urteil“ (21.9.) und „Brief an den Vater“ (26.9.)
  • sowie Samuel Becketts „Das letzte Band“ (27.9.)

Am 19.9. steht zudem das musikalische Gastspiel „Bandoneon & Strings – Tangodialoge“ auf dem Spielplan.

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