Mannheim. Es hat immer eine etwas wunderliche Note, von Haus düster gestimmte Musik unter einer knisternden Sommersonne zu goutieren. Wobei der im August 1986 in Südfrankreich aufgenommene Kult-Konzertfilm „The Cure in Orange“ unbestreitbar beweist, wie aus dieser Diskrepanz etwas Grandioses erwachsen kann. Maestro Robert Smiths ikonische, zu Zeiten den finsteren Winkeln des Dark Wave verschriebene, sich bald jedoch auch dem Pop zuneigende Formation The Cure mag auch im stilistischen Prägeprozess der Mannheimer Gruppe vielleichtliebermorgen möglicherweise nicht ungehört geblieben sein. Jedenfalls funktioniert das kontrastreiche Zusammenspiel aus äußerer Hitze und innerer, spezifischer Kühle des Sounds auch hier, beim Freiluftkonzert auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache in Mannheim, sehr gut.
Gruppe vielleichtliebermorgen: Teil der 13. Generation des Bandsupport Mannheim
Ein Heimspiel also, zumal ein sehr gut besuchtes, wenngleich die Gruppe mit dem nach charmant geseufzter Prokrastination klingenden Namen noch Newcomer-Status hat: vielleichtliebermorgen ist Teil der 13. Generation des Bandsupport Mannheim, eines lokalen Coaching- und Musikförderprogramms von Next Mannheim und der Jugendförderung der Kommune in Kooperation mit verschiedenen städtischen Jugendeinrichtungen sowie der Musikschule. Der Bandsupport ist es auch, der diesen Auftritt im Zuge des Sommerbühnen-Konzertplans der Feuerwache präsentiert.
Sängerin Georgia, Gitarrist Dorian, Bassist Nico und Schlagzeuger Dennis: Das Quartett, das personell nur unter Vornamen in Erscheinung tritt, spielt eine Komposition aus Post-Punk, Wave und Indie. Und kreiert mithin einen angenehm ungeglätteten Undergound-Sound, der Fans einschlägig bekannter Gruppen wie Virgin Prunes, Christian Death, Tuxedomoon, Malaria oder Xmal Deutschland ein Lächeln um die Kajal-geränderten Augen zaubern darf.
Der Song „Wenn du lügst“ schnellt in hoch getakteter Rhythmus-Atemfrequenz von der Bühne, Georgias Gesangsfarben changieren zwischen kühl reflektierender Resignation und fiebriger Anspannung, die Gitarre kreiselt in schneidend expressiven Klagebewegungen.
„Zigarettenrauch“ treibt in bittersüßer Beschaffenheit durch den lichtlosen Raum, das in den Sonnenuntergang hinein gespielte „Luftschloss“ vibriert vorsichtig und im Kern zerbrechlich im Herz einer Rock-Rauhnacht. „Rendezvous“ wird bald darauf wie ein schroffe, schleppende Indie-Soul-Skizze in den Äther gespiegelt. „Angezählt“ (dessen hypnotisierend repetitives Schlagwerk uns an die Gothic-Rock-Denkmalbauer der Band Bauhaus denken lässt) windet sich spröde um Georgias Sprechgesang, und „Flaschendrehen“ zum regulären Ende des rund einstündigen Konzerts nimmt noch einmal post-punkige Fahrt auf.
vielleichtliebermorgen auf Sommerbühne Mannheim mit raffiniertem Kylie Minogue-Cover
Die Mannheimer Formation hat indes auch zwei – erfreulich wenig naheliegende – Coverversionen in ihr Programm aufgenommen: Zum einen „In Your Eyes“ von Pop-Fürstin Kylie Minogue, das hier viskos verlangsamt und mit einem gerüttelt Maß an schlafwandelndem Ennui gegen seine ureigene Pop-Leichtherzigkeit gestrichen wird. Und andererseits das Stück „Meer“ von Rapper RIN, das wiederum von Haus aus dunkel grundiert ist, aber unter der Federführung von vielleichtliebermorgen noch scharfkantiger und abschüssiger wird. All das gefällt: „gernemorgenwieder“, notiert man.
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