Mannheim. Irgendwann habe er gemerkt, erzählt Rapper Tua bei seinem Konzert im Mannheimer Capitol, dass es in all seinen Party-, seinen Feier-Liedern gar nicht so sehr darum gehe, etwas zu suchen. „Es geht immer irgendwie mehr darum, was zu verlieren“, darum, herauszuwollen, etwas hinter sich zu lassen. „Und in meinem Fall war das eigentlich immer mich selbst.“
Vielleicht ist es nicht ganz falsch, flankierend festzustellen, dass die Musik des 1986 in Reutlingen geborenen Vokalisten und Produzenten generell von einer Art polarisierter Hybridstimmung geprägt ist: Als pulsierte sie zwischen Euphorie und dem Wissen um die unweigerlich folgende Ernüchterung, um die Nachwehen, den Kater, das ausgeblichene innere Grau am Tag nach der Clubnacht. Im Spannungsfeld von „Höhenflug + Tiefenrausch“, wie Tua einen Titel auf seinem nagelneuen, Anfang Februar veröffentlichten Album „F60.8“ genannt hat, kreiert er mithin einen suggestiv melancholischen, gleichzeitig hochdynamischen Transitraum. Auf formaler Ebene verbindet er dazu verschiedene musikalische Genres – Hip-Hop, Drum ‚n‘ Bass, House, Pop – zu einer bemerkenswert homogenen, fluiden Synthese.
Seine erweiterte „Eden“-Tour, benannt nach Tuas vor einem Jahr erschienenen, vierten Soloalbum, hat den Künstler ins Capitol geführt. Den Auftritt hat der 38-Jährige (der bürgerlich auf den Namen Johannes Bruhns hört) wie eine Erzählung gegliedert. Es sei dies „eine Reise durch alles, was ich bisher gemacht habe“, eröffnet er den rund 500 Besucherinnen und Besuchern. „Ein kleiner Vortrag in vier Kapiteln“, im Einzelnen „Vorstadt“, „Die Party“, „Am Tag danach“ und „Eden“ benannt, wobei der anfängliche Teil „in der Jugend, in unseren wilden Zeiten“ spiele. Das begleitende Getränk dazu heißt „Gorbatschow ACE“. „Südvorstadt“ ist ein Liebes-bekümmertes Song-Taumeln durch die Straßen, „Extrem Durchschnitt“ ein nachdenkliches Reflektieren und „FFWD“ schnellt im Überdruck-Zustand nach vorne. Tua, der allenthalben einen leichten Auto-Tune-Effekt auf seine Rap- und Singstimme legt, operiert dabei auch an Keyboards und Live-Elektronik.
Auftritt auch visuell stimmig in Szene gesetzt
An seine Mitgliedschaft in der 2007 gegründeten Hip-Hop-Gruppe Die Orsons erinnert der Song „Lagerhalle“, vom neuesten Langspieler „F60.8“ dagegen ist unter anderem „Dachterrasse“ zu hören, das sich anfühlt, wie in ätherischem Treibsand zu versinken. Mit einer intensiven Ballade, „Wenn ich gehen muss“, und dem leisen Stück „Im Garten“ als Schlussakt endet nach knapp zwei Stunden Tuas hervorragender Auftritt, der auch visuell stimmig in Szene gesetzt wird: Der Musiker wechselt zwischen den Kapiteln die Garderobe und Kleidungsfarben, ein weißer, später geöffneter Vorhang wird zur Projektionsfläche, und auch die Lichtregie ist exzellent – insbesondere beim Titel „Raus“, wo die Stakkato-Scheinwerfereinsätze wie Filmschnitte wirken.
Als überaus glücklich gewählt erweist sich zudem das Vorprogramm mit dem jungen Rapper Yosho und dessen Produzenten (und Co-Vokalisten) samyy: Zwei Exilbayern und Wahl-Wiener, die Hip-Hop und Pop in so einnehmender wie sympathisch zurückgenommener Weise verquicken. Gut zu wissen: Im April soll die neue Yosho-Platte „Feigling.“ herauskommen.
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