Musik

Serdar Somuncu singt und erzählt im Mannheimer Capitol

Eigentlich hat er dem Kabarett den Rücken gekehrt. Doch Serdar Somuncu setzt mit seinem Musikprogramm „Songs & Storys“ im Capitol in Mannheim auch kritische Töne.

Von 
Martin Vögele
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Serdar Somuncu mit "Songs & Stories" im Capitol in Mannheim. © Rudolf Uhrig

Mannheim. Vermutlich geht man nicht in eine Veranstaltung mit (Ex-)Kabarettist Serdar Somuncu, weil man sich auf möglichst harmlose, unverfängliche Weise unterhalten lassen möchte. Dass der Künstler Provokationen, Vulgaritäten und streitbare Positionen viel eher zu suchen als zu scheuen scheint, dürfte hinlänglich bekannt sein. Das ist an diesem Abend im Mannheimer Capitol nicht anders. Zugleich aber sind es zwei ebenso eigenwillige wie eindringliche Stunden, die einen dort unter dem Titel „Songs & Stories“ erwarten.

Ende 2023 hatte der studierte Musiker und Theatermacher dem Kabarett den Rücken gekehrt, er nennt die Gründe: „Keine Lust mehr“, außerdem ein Umfeld, für das er hier keine zur Wiedergabe geeigneten Worte findet, und „Fernsehsender, Radiosender, die mich zensiert haben“, wie Somuncu weiter ausführt. In der folgenden kreativen Pause habe er dann wiederentdeckt, „dass mir das Musikmachen Spaß macht. Und irgendwann ist auch das Geld immer weniger geworden.“

Ein-Mann-Band mit drei Instrumenten

„Ich bin der Meinung, Kabarett und Comedy sind tot“, diagnostiziert der 56-Jährige, der für sich entschieden hat: „Ich wollte meinen Anarchismus wieder zurückhaben.“ Das ist ihm offensichtlich geglückt. Die begleitende „Band“, von der in der Ankündigung die Rede war - das ist er selbst: Man kann Somuncu am E-Piano, an der Akustikgitarre und Kistentrommel erleben.

An Ersterem lässt er Erinnerungen an seine Musikstudienzeit aufleben (Hauptfach Schlagzeug, Nebenfach Klavier) und erahnen, dass er schon damals nicht zur Anpassung neigte - Beethoven und Rachmaninow in einer Zwölfton-Free-Jazz-Übertragung mögen dies bezeugen.

Mithilfe der Kistentrommel bringt er dem Publikum im recht gut gefüllten Saal bei, einen Neun-Achtel-Takt zu klatschen und erzählt dabei einiges über die Herkunft der Marschmusik, die einst mit den osmanischen Janitscharen, den Elitetruppen des Sultans, durch die Lande zog.

Zur Gitarre singend stimmt er Balladen an wie das nach melancholisch-souliger Paul-Weller-Art beschaffene „In diesem Moment“ oder das dünnhäutig flehende „Baby bleib hier“. „Der Mann mit dem Bart“ liefert dazu einen bizarr-abgründigen Kontrast. All diese Songs stammen von Somuncus zwei 2011 und 2019 veröffentlichten Solo-Platten. „Sehr erfolglose Alben übrigens, niemand will das hören.“

Plädoyer für das differenzierte Denken

Dann wieder zeigt er sich nachdrücklich politisch, kündet gleichsam den unterschwellig-gängigen Kabarett-Konsens darüber auf, wo die Guten und wo die Bösen sitzen, dass die eigene Seite selbsterklärend die richtige ist. „Wir sind so arrogant, das ist nicht auszuhalten“, spricht er sich in einer zusehends entflammenden Rede für differenziertes Denken aus. Ein Viertel der Deutschen wähle mittlerweile die AfD, konstatiert Somuncu und zeigt sich sicher, die Partei werde „irgendwann noch mächtiger werden und vielleicht eine Regierung stellen.“ Er betont: „Der Satz, ‚Man muss den Anfängen wehren‘ ist mehr wert, als nur ein Lippenbekenntnis.“

Zugleich erkennt er die Freiheit an, „die man in einer Demokratie hat, sein Kreuz dort zu machen, wo man es machen will.“ Mit dem politischen Gegner habe man sich „in einem Diskurs auseinanderzusetzen“, unterstreicht er. Und vor einer Auseinandersetzung, so viel ist klar, schreckt Somuncu nicht zurück.

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