Mannheim. „Kultur ist Pflicht?! – Kulturförderung in sparpolitischen Zeiten“ lautet der zwiespältig interpunktierte Titel einer Podiumsdiskussion, zu der die Regionalgruppe Rhein-Neckar der Kulturpolitischen Gesellschaft in die Alte Feuerwache nach Mannheim eingeladen hat. Darüber, dass Kultur kein Fragefall, sondern ein imperatives gesellschaftliches Fundament ist, dürfte unter den Sprecherinnen und Sprechern wie auch bei den mehreren Dutzend Besuchenden im Saal indes von Anfang an Einverständnis herrschen.
Auf dem Podium: Die Leiterinnen zweier freier Mannheimer Theater (Inka Neubert, Theaterhaus G7, Angelika Baumgartner, Theater Oliv) und der Geschäftsführende Intendant des städtischen Nationaltheaters (NTM), Tilmann Pröllochs; eine Bildende Künstlerin (Valentina Jaffé) und der Dozent und Mitinitiator der – in Nachfolge der jüngst vermeldeten Insolvenz der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM) – neu gegründeten Akademie der Bildenden Künste Mannheim: Eric Carstensen. Zudem die Politiker Gerhard Fontagnier (Grüne) und Markus Sprengler (SPD). Auch alle anderen Fraktionen des Gemeinderats seien eingeladen worden, so Moderatorin Janina Klabes, hätten aber „teilweise mit ordentlichen Begründungen, teilweise mit unordentlichen“ abgesagt.
Stadt Mannheim vor drastischen Sparmaßnahmen in Kultur
Die Stadt Mannheim, ordnet Klabes die gegenwärtige Situation ein, sei vom Regierungspräsidium angehalten, 160 Millionen Euro über die nächsten vier Jahre einzusparen. Heißt: Subventionen und die sogenannten freiwilligen Leistungen der Stadt – wozu eben auch die Kultur zählt – müssten dem Oberbürgermeister zufolge auf den Prüfstand, ebenso wie Personal- und Sachausgaben. Was bedeutet das – „und wie gehen wir damit um?“, fragt Klabes.
Die Kulturpolitische Gesellschaft
- Die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. (KuPoGe) wurde 1976 gegründet. Die Vereinigung mit Sitz in Bonn definiert sich selbst als „Plattform für kulturpolitische Diskurse in Theorie und Praxis in Deutschland“.
- Nach eigenen Informationen ist die KuPoGe ein Netzwerk und Zusammenschluss von rund 1500 kulturpolitisch interessierten und engagierten Menschen beziehungsweise Organisationen , die unter anderem in den Bereichen Kulturpolitik und -verwaltung, Kulturpraxis, Wissenschaft, Kunst, kulturelle Aus- und Weiterbildung sowie Soziokultur und Journalismus tätig sind.
- Infos: www.kupoge.de. mav
Gerhard Fontagnier vermutet, dass sich die genannten 160 Millionen nach einem aktuellen Gespräch der Fraktionsvorsitzenden noch auf 200 Millionen erhöhen würden. Für dieses Jahr gebe es wohl eine Lösung, ein sogenannter „Rasenmäher“, wonach „über die Bank drüber hinweg“ ein Betrag von voraussichtlich etwa zwei Prozent gespart werden müsse. „Das ist sicher noch zu verkraften, aber das muss dann im nächsten Jahr doppelt so viel sein“, und es könnte mit Blick auf besagtes Gespräch sicher „noch härter werden“. „Wenn man diese bunte, vielfältige Kulturlandschaft der Stadt erhalten will“, meint er, „dann muss man sich zusammentun und muss sich auch wehren.“
Es müsse gemeinsame Lösungen geben, über die man auch gerade nachdenke, führt Markus Sprengler aus. Aber an der Sparauflage werde auch die SPD nicht vorbeikommen. Sprengler, seines Zeichens selbst Musiker, glaubt auch: „Wir als Künstler waren zu leise.“
Zwischen Sparzwang und Existenzkampf
„Das ist eine Belastung, natürlich“, bewertet Inka Neubert die geplanten Einsparungen. Sehr wichtig sei, „dass man mit den Kulturschaffenden redet“, auch überlege, „wie kann man einsparen oder was ist machbar“. Sie weist auf Folgewirkungen hin: „Wir sind ja in der Kultur nicht isoliert“ – würden etwa Konzerte eingespart, hätten die Musiker ein Problem. Angelika Baumgartner sieht ihr Theater „ganz knapp“ aufgestellt und praktisch keine Einsparmöglichkeiten. „Ich denke, es wird darauf hinauslaufen, dass wir weniger bis keine Veranstaltungen mehr machen können“, verdeutlicht sie den Ernst der Situation.
Auch Valentina Jaffé findet: „Wir müssen nach draußen damit, wir müssen uns da sichtbar machen, wir müssen dafür kämpfen, dass die wenigen Mittel, die wir haben, einfach erhalten bleiben.“ Sie ist zudem Sprecherin beim 2020 gegründeten Mannheimer Rat für Kunst und Kultur. Dieses Organ „schwächelt, es sind viel zu wenig Leute“, so Jaffé, aber es sei „einfach wichtig, dass es da weitergeht“.
Zusammenhalt in der Krise gefragt
Über Nacht habe man erfahren, dass der FKAM-Förderverein Insolvenz angemeldet habe, erzählt Eric Carstensen. Bisher würden alle Unterrichtseinheiten weitergeführt – „freiwillig, ehrenamtlich, in den Privatateliers der Dozent*innen“, berichtet er und betont: „Das ist eine Bildungseinrichtung, und diese Bildungseinrichtung kann eine Stadt nicht einfach kaputtgehen lassen.“ „Wir brauchen aber natürlich die ehemals vorhandenen städtischen Gelder auch weiterhin.“
„Natürlich sind wir als Teil der Stadtverwaltung – wir sind ein Eigenbetrieb – ganz anders als alle anderen, die hier vorher gesprochen haben, einzustufen“, sagt Tilmann Pröllochs über das NTM – von Klabes als „Elefant im Raum“ apostrophiert. Deshalb, so Pröllochs, „trifft uns das auch, aber in ganz anderen Dimensionen, vielleicht nicht für jeden so existenziell.“ Mannheim sei eine Kulturstadt, und deshalb: „Ja, wir müssen da zusammenhalten, müssen uns dagegenstemmen, um möglichst viel Kultur auch in schwierigen Zeiten zu erhalten.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-regionale-kultur-podiumsdiskussion-ueber-kulturfoerderung-in-alter-feuerwache-_arid,2300318.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html