Ludwigshafen. Zur Eröffnung gibt sie ihrer Band ein ausgefeiltes Handzeichen. Sie zeigt die Gestik einer Dirigentin, dabei ist in diesem Fall der erste Einsatz nicht einmal besonders kompliziert. Aber es ist eben die Chefin, die im Kollektiv die Richtung festlegt. Die bahrainisch-britische Trompeterin Yazz Ahmed hat darin inzwischen an die 20 Jahre Übung, denn so lange sucht sie schon nach der Vereinigung von Okzident und Orient, nach der Verträglichkeit von elektrifizierten und akustischen Verfahrensweisen bei der Klangerzeugung.
Das Ergebnis, jetzt bei Enjoy Jazz im Ludwigshafener Kulturzentrum dasHaus zu hören, ist eine zwar aktualisierte, aber nicht mehr neue Form von „Fusion“, die auch Weltmusik mit einbezieht. Vor allem die arabische. Es handelt sich somit um Oriental Jazz, aber mit Stromanschluss: mit ziemlich viel elektrischer Verstärkung und Verfremdung.
Yazz Ahmed verwendet ein spezielles Flügelhorn, auf dem sich Vierteltöne spielen lassen
„Echte“ Fremdheit, unerwartete Exotik stellt sich freilich eher selten ein. Alles bleibt fasslich und berechenbar, ist manchmal (fast zu) massentauglich konzipiert. Zu den zwei ersten Stücken könnte man problemlos tanzen, ohne jemals aus dem Tritt zu kommen. Und Yazz Ahmeds Markenzeichen ist „nur“ eine treffliche Erweiterung der Farbpalette: Sie verwendet schon seit langem ein spezielles Flügelhorn, auf dem sich Vierteltöne blasen lassen, wie sie in den Skalen der arabischen Musik gefordert sind. Natürlich bleibt der Horneinsatz vor allem den Balladen vorbehalten, und das umgebaute Instrument sorgt hier für eine schwermütige Aura.
„Mermaid’s Tears“ heißt eines dieser Stücke. Aber aus den Tränen einer Meerjungfrau erwüchsen wunderschöne Perlen, hören wir von der Trompeterin. Was gleich das nächste Stichwort liefert: Dem Gesang der Perlentaucher in der Golfregion huldigt Yazz Ahmed ebenfalls. Sowie den schönen Stimmen von Sirenen und den fröhlich aufgedrehten Rhythmen, die in der arabischen Kultur häufig von Frauen-Trommelgruppen auf Familienfesten produziert werden.
Die Mixtur ist nicht völlig ausgereift, aber weit besser, als vorhersehbar zu sein
Ganz ohne Männer geht es aber nicht, wie auch Yazz Ahmeds Band beweist. Es handelt sich um ein Quartett, in dem Rod Youngs als Kraftquelle firmiert, denn er bearbeitet sein Schlagzeug in der Billy Cobham-Tradition: kompakt und wuchtig. Während sich Dave Manington am E-Bass auch mal Zeit für seine Linien nimmt, sie schwingen dann schon fast gemächlich aus. Den Gegensatz dazu markiert das Vibraphon-Spiel von Ralph Wyld – das schlanker, flinker und abstrakter angelegt ist, in den Soli jazziger und freier.
In Uptempo-Nummern bläst Yazz Ahmed in der Regel die „Normal-Trompete“, hell und klar im Ton und ohne jede technische Verlegenheit. Aber die Komponistin, Leaderin und Dirigentin hat auch einen kleinen Spieltisch neben sich, auf dem sie elektronische Effekte generiert, die nicht nur eine Hallglocke erzeugen, sondern manchmal auch zum Störfaktor geraten können. Wie ein malträtierter Flipperautomat kann das zuweilen klingen.
Die Mixtur ist also doch nicht völlig ausgereift. Aber das ist weit besser, als total vorhersehbar zu sein. Der zweite Teil des Ludwigshafener Konzerts – in dem die musikalischen Strukturen offener erscheinen – hat mehr Spannung als der erste.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-regionale-kultur-oriental-jazz-mit-stromanschluss-yazz-ahmed-bei-enjoy-jazz-in-ludwigshafen-_arid,2333226.html