Mannheim. Mit der Matinee vom vergangenen Sonntag ging die 19. Ausgabe des Literaturfestes Lesen.Hören zu Ende. Und es wird als ein Festival der Superlative in Erinnerung bleiben, mit einer Fülle an Veranstaltungen, an Autorinnen und Autoren und einem Publikum, das seinem Ruf, „durchhaltefähig, zugewandt, überaus interessiert zu sein“, gerecht wurde, wie Programmleiterin Insa Wilke eingangs betonte. „Zweieinhalb Stunden hat es beim Balkan-Abend die technischen Pannen, das Chaos auf und hinter der Bühne würdevoll hingenommen und den Ruf Mannheims bis nach Nordmazedonien, nach Belgrad, in den Kosovo“ verteidigt.
Besonders wichtig war Wilke zudem, die vielen Menschen zu würdigen, die dieses Festival möglich gemacht haben. Einen Extraapplaus gab es für den wundervollen Büchertisch der Buchhandlung Bender, ohne den ein Literaturfestival undenkbar wäre.
Ein zentrales Merkmal des Festivals sei, so Wilke, dass es stets die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen begleite. Es habe bedrückende, ratlose Momente gegeben, aber auch solche, die Hoffnung machten. „Was ich aus diesem Festival mitnehme“, sagte sie, „ist, dass wir daran arbeiten müssen, allen Menschen in diesem Land Räume zu schaffen, in denen sie sich entfalten und sicher leben können.“
In „Fasane im Nacken“ geht es um Machtstrukturen und um die Rolle sozialer Medien
Die zahlreich erschienenen Besucher dieser Abschlussmatinee erwarteten eine besondere Premiere. Denn das Buch „Fasane im Nacken“ von Antje Rávik Strubel erscheint erst in den kommenden Tagen. Es ist ein Roman, „der unterhaltsam ist und viele der drängenden Fragen unserer Zeit aufwirft“. Im Gespräch mit Bettina Böttinger, einer renommierten Fernsehmoderatorin, Produzentin, Journalistin und Autorin, die sich daneben auch gesellschaftlich stark engagiert, erläuterte Rávik Strubel die zentralen Themen ihres Romans, die Bedeutung des Titels und die Rolle der sozialen Medien.
Während der Arbeit am Buch „Blaue Frau“, das 2021 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, habe sie das Gefühl gehabt, ihr gehe eine gewisse Leichtigkeit verloren, berichtete die Autorin. „Der neue Roman gab mir die Möglichkeit, zu einer gewissen Leichtigkeit zurückzufinden, Literatur ist ja ein Ort des Spielerischen, des Leichten.“ Gleichzeitig beschäftigte sie die Frage, warum eigentlich so viele Frauen gegen sich selbst arbeiten, woher der Drang komme, gerade in der #MeToo-Debatte sexualisierte Gewalt herunterzuspielen und den Betroffenen selbst die Schuld zu geben.
Hella Karl, die Protagonistin des Romans, will sich dem entziehen, der #MeToo-Debatte steht sie eigentlich ablehnend gegenüber – am Ende wird sie dann dennoch von dieser Struktur eingeholt. Dass der Roman auch von Machtstrukturen in Beziehungen handelt, darauf weist der Titel hin: Er stammt aus einem Text von Virginia Woolf, die sich in ihrem Essay „Drei Guineen“ kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fragt, wie Frauen einen Krieg verhindern sollen, wenn sie von Bildung ausgeschlossen sind. So steht „Fasan“ für Rituale von Männlichkeit in höheren Gesellschaftsschichten. Mit dieser abschließenden Diskussion bewies Lesen.Hören wieder einmal, dass es mehr ist als ein Literaturfestival.
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