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Iron Maiden entfesseln Metal-Magie in Frankfurt

Iron Maiden rocken den Deutsche-Bank-Park in Frankfurt mit unbändiger Spielfreude und zeitlosen Metal-Klassikern.

Von 
Jakob Roth
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Spektakuläre Szenerien im Frankfurter Waldstation: Iron-Maiden-Frontmann Bruce Dickinson mit seiner Band auf „Run For Your Lives World Tour". © Rudolf Uhrig

Frankfurt. Es sind die allerletzten Zeilen beim Song „Wasted Years“, die lange nachwirken. „So understand, don’t waste your time always searching for those wasted years“, singt der verschwitzte und fröhlich grinsende Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson zusammen mit Tausenden Fans. Die Nummer beendet das Set der Band im Frankfurter Deutsche-Bank-Park: musikalisch getragen von einem warmen und energetisch züngelnden Gitarrenriff und durch zuckende Scheinwerferkegel von der Bühnentechnik perfekt in Szene gesetzt. Es ist ein Abschluss mit klarer Haltung: Denn „Wasted Years“ ist kein plumper Rausschmeißer, sondern ein Statement. Iron Maiden suchen nicht nach verlorener Zeit. Sie leben ganz im Jetzt. Und das mit einer jugendlichen Wucht, mit einer unbändigen Spielfreude.

Eine musikalische Zeitreise in die Achtziger

Das, was da über zwei Stunden hinweg auf der Bühne passiert, ist im Kern eine Reise zurück. Eine Reise zurück in die frühen Achtziger, in eine Zeit, als der Heavy- Metal sich gerade von seinen Kinderschuhen befreite. Die „Run for your lives“-Tour ist eine Rückbesinnung auf die musikalischen Anfänge der Band: So stammt der jüngste Song der Setlist, „Fear of the Dark“, aus dem Jahr 1992. Die Musik dieser Tour entführt in eine Zeit, in der Iron Maiden sich als prägende Kraft in die DNA des Metal eingeschrieben haben – und das macht verdammt viel Spaß. Denn verstaubt ist hier gar nichts. Die Songs sind nicht gealtert, sie sind gereift. Und sie werden von Iron Maiden mit einer metronomischen Präzision, mit mitreißender Spielfreude und einer beeindruckenden Videoshow inszeniert.

Setlist

  • Set: 1. Doctor Doctor (UFO-Tape) 2. The Ides of March (Tape) 3. Murders in the Rue Morgue 4. Wrathchild 5. Killers 6. Phantom of the Opera 7. The Number of the Beast 8. The Clairvoyant 9. Powerslave 10. 2 Minutes to Midnight 11. Rime of the Ancient Mariner 12. Run to the Hills 13. Seventh Son of a Seventh Son 14. The Trooper 15. Hallowed Be Thy Name 16. Iron Maiden.
  • Zugabe: 17. Churchill’s Speech (Tape) 18. Aces High 19. Fear of the Dark 20. Wasted Years.

Schon der Einstieg ist ein Frontalangriff: Nach dem traditionellen UFO-Klassiker „Doctor Doctor“ vom Band und einem atmosphärischen Video-Intro, das durch ein altehrwürdiges, nächtliches Viertel führt, explodiert die Bühne mit „The Ides of March“ und dem ersten Song „Murders in the Rue Morgue“. Im Hintergrund funkelt der Eiffelturm auf der Leinwand, während die Band mit einem aggressiven Gitarrenlauf ins Set prescht. Es gibt keine Begrüßung, keine Atempause. Iron Maiden machen sofort klar, worum es ihnen geht: um Musik.

Ein energiegeladenes Spektakel ohne Kompromisse

Es folgt ein energetisches Triple aus „Wrathchild“, „Killers“ und dem selten gespielten „Phantom of the Opera“. Sänger Bruce Dickinson, stimmlich in Bestform, fegt dazu über die Bühne, dirigiert das Publikum mit ausgestreckten Armen, fordert „Frankfurt“ immer wieder zum Schreien, Klatschen und Fäusterecken auf. Die Band folgt ihm mit der Präzision eines Uhrwerks: Das Tempo bleibt hoch, die Tonarten der Songs bleiben unverändert, das Spiel technisch einwandfrei. Kein Arrangement wird geglättet oder angepasst, keine Phrase eingespart.

Schien in Bestform zu sein: Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson. © Rudolf Uhrig

„Wir spielen heute ältere Songs“, sagt Bruce Dickinson irgendwann lakonisch – als müsste man das überhaupt noch erwähnen. Höhepunkte gibt es viele: „The Number of the Beast“ entfaltet mit seinem biblisch inspirierten sowie sonor gesprochenen Intro und auflodernden Feuersäulen eine fast sakrale Wucht. „The Trooper“ bringt die Arena zum Beben – traditionell erscheint auf dem Videoscreen dabei das Iron-Maiden-Maskottchen Eddie, wie immer mit grimmigem Blick und der britischen Flagge „Union Jack“ in der Hand.

Ein musikalisches Epos voller Dramatik und Poesie

Sänger Dickinson wirbelt derweil mit einer großen Deutschlandfahne über die Bühne. Bei „Run to the Hills“ tobt das Publikum mit erhobenen Armen, während „Seventh Son of a Seventh Son“ mit seinen verschachtelten Harmonien und komplexen Klanglandschaften unterstreicht, wie durchdacht und poetisch die Kompositionen von Iron Maiden sind. Apropos komplex und poetisch: „Rime of the Ancient Mariner“ treibt dieses Prinzip auf die Spitze. Die fast 14-minütige Vertonung von Samuel Taylor Coleridges Gedicht wird zur hinreißenden Programm-Musik – mit Pathos, flirrenden Bassläufen und unheilvoll schwebenden Gitarren. Der ruhige Mittelteil tastet sich durch eine geisterhafte Stille, bevor ein Finale aus Licht, Feuer und donnernden Akkorden den Fluch des alten Seemanns in Szene setzt.

Hier wird klar: Iron Maiden sind nicht nur eine Band, die irgendwelche Songs spielt. Sie erzählen Geschichten. Und diese Geschichten liegen für die Band überall verborgen. Inspiriert werden sie von antiken Mythen, unbekannten Sagen, klassischer Literatur und historischen Kuriositäten. Iron Maiden schaffen mit ihrer Musik eine Verknüpfung von Geschichten und Musik. Sie kreieren stets ein musikalisches Universum, das sich in jedem Song neu entfaltet. Und besonders bei den alten Maiden-Klassikern ist das zu spüren. Vielleicht hatte das Konzert in Frankfurt deshalb auch eine Tiefe, die weit über Riffs und Refrains hinausreicht.

Doch nicht alles funktioniert einwandfrei. Der Sound in Frankfurt war – zumindest auf den Rängen – stellenweise viel zu laut, zu höhenlastig, teils übersteuert. Feinheiten, etwa Basslinien mit Melodien oder besondere perkussive Einschübe, gingen in der Wucht verloren. Gitarren verschwammen stellenweise zu diffusen Flächen, und leider ging das Schlagzeug immer wieder hinter einer nebulösen Wand aus Gitarren unter. Das war jedoch der einzige Makel in einer ansonsten detailverliebten Inszenierung. Gerade bei Songs wie „The Clairvoyant“ oder „Powerslave“ wünschte man sich jedoch mehr Transparenz, mehr Luft im Klangbild, mehr Dynamik. Die Qualität der Band wurde davon nicht geschmälert – aber sie war nicht immer vollständig hörbar.

Visuelle Reise durch Musik und Geschichte

Die Show selbst hingegen ist sorgfältig kuratiert: Maskottchen und Grusel-Monster Eddie erscheint mehrfach auf dem großen Videoscreen – und immer in zu den Songs passender Verkleidung: ob als ägyptischer Gottkönig (passend zum Albumcover von „Powerslave“) oder als Teufelsfratze bei „Number of the Beast“. Die Videoscreens begleiten die Songs also mit thematisch passenden Bildern – so geht die Reise vom antiken Ägypten bis zu den Angriffen der britischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Vor „Aces High“ ertönt etwa Winston Churchills legendäre Rede: „We shall never surrender“, sagt er bestimmt. Kurz darauf zeigt Bruce Dickinson, wie ausdauernd seine Stimme ist. „Aces High“ sei laut ihm einer der schwersten Maiden-Songs – in Frankfurt kommt er jedoch erst ganz zum Ende des Sets. Dass Dickinson nach den anspruchsvollen Nummern zuvor noch Luft für dieses Kunststück hat, ist schlichtweg beeindruckend.

Dieses Konzert, diese Tour ist ein Denkmal für die Band. Zu hören ist ein Beweis dafür, dass sich Iron Maiden durch ihren Willen definieren, immer noch alles zu geben - auch nach 50 Jahren Bandgeschichte. „Face up, make your stand, realize you’re living in the golden years“ - so singt es Bruce Dickinson in „Wasted Years“ ganz zum Schluss. In Frankfurt haben Iron Maiden genau das gezeigt: Sie stehen aufrecht. Sie spielen mit Leidenschaft. Sie leben ihre goldenen Jahre einmal mehr.

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