Mannheim. Es gibt jene besondere Art von Freundschaften, in denen man sich vielleicht jahrelang nicht sieht und auch sonst keinen Kontakt zueinander hält. Aber wenn man sich schließlich doch wieder begegnet, ist alles völlig vertraut, als wäre die Zeit stehen geblieben, als wäre man nie auseinandergegangen. Genauso fühlt es sich an, als Irie Révoltés - über siebeneinhalb Jahre, nachdem sie einen kurzen Sprint entfernt ihr finales Konzert spielten – beim 9. Zeltfestival Rhein-Neckar auf dem Mannheimer Maimarktgelände auf die Bühne treten.
Die Band macht ihrerseits keinen Hehl daraus, dass ihr Rückgrat gerade, ihre Haltung unverändert geblieben ist: „Wir wurden so gebor’n / Antifaschisten für immer, für immer“, schallt es zur Eröffnung aus den Lautsprechern, nur von klaren Gitarrenakkorden und aus dem Stand auch einem kollektiven, stimmgewaltigen Publikumschor begleitet.
„Wir wurden so gebor′n / Radikal, radikal, radi-radikal“. Dann bricht die Musik los, die schiere, Nirvana-artige Wucht von „Allez!“ explodiert in den Klangraum, und auch hier steigen die Besucherinnen und Besucher erneut beherzt in den Refrain mit ein. „Allez!“, rufen sie im Verein mit den Irie-Révoltés-Vokalisten Carlito und Mal Élevé: Los geht’s!
Irie Révolté in Mannheim: Getanzter Widerstand vor und mit 3000 Menschen im Publikum
Mithin fügt sich wieder zusammen, was bei den „Fröhlichen Aufständischen“ (wie sich der Bandname übersetzen lässt) zusammen gehört: Punk und Pop, Reggae und sein schneller Bruder, der Ska, hochtouriger Rap und Gesang mit französisch-deutschen Texten, die kompromissloses politisches Sendungsbewusstsein bezeugen - gegen rechts, gegen Rassismus und Sexismus, gegen Krieg und für das Willkommen-Heißen Geflüchteter.
Wobei schon das nächste, leichtherzig in Blickrichtung Sonne groovende Stück „Il Est Là“ einen nicht vergessen lässt, dass die Gruppe zusammen mit den über 3000 Besucherinnen und Besuchern zugleich ein ausgelassenes Musikfest und die Lust am Leben feiert: Ein Irie-Révoltés-Konzert ist getanzter Widerstand, wenn man so will. Bei dampfenden 30 Grad Außentemperatur übrigens, weswegen es sich auch als Segen erweist, dass die Seiten des Palastzeltes geöffnet wurden.
Irie Révoltés
Die Band Irie Révoltés wurde 2000 in Heidelberg gegründet. Sie veröffentlichte fünf Studioalben: „Les deux côtés“ (2003), „Voyage“ (2006), „Mouvement mondial“ (2010), „Allez“ (2013) und „Irie Révoltés“ (2015).
2017 löste sich die Gruppe auf und gab im Dezember ein Abschiedskonzert in der Mannheimer Maimarkthalle.
25 Jahre nach der Gründung ist die Band nun auf ihrer „Irieunion“-Tour unterwegs. Das Konzert am 20. Dezember in der Mannheimer Maimarkthalle ist ausverkauft. Für andere Konzerte gab es dagegen zuletzt noch Tickets, so etwa für den Auftritt am 8. Oktober im Wiesbadener Schlachthof.
Infos: www.irie-revoltes.commav
Ein Blick zurück: Vor 25 Jahren gründeten die Brüder Pablo und Carlos Charlemoine, besser bekannt als Mal Élevé und Carlito, zusammen mit Saxofonist Tobias („Toby!“) Bär und Schlagzeuger Felix („Flex“) Mussell die Band Irie Révoltés, die bis 2015 fünf Studioalben veröffentlichen und sich Zug um Zug eine wachsende Fangemeinde erspielen sollte.
2017 erklärte das neunköpfige Kollektiv, seine Karriere beenden zu wollen: „Wir hatten das Gefühl, dass es an der Zeit ist, ‚loszulassen‘, sagte Carlito damals im „MM“-Interview. Das Abschiedskonzert fand vor rund 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern in der ausverkauften Maimarkthalle statt. Dann kam die Ankündigung, 2025 für ein Jahr zurückzukehren und auf große „Irieunion“-Tour zu gehen, die abermals im Dezember in der (bereits erneut ausverkauften) Maimarkthalle enden wird.
Der Zeltfestival-Auftritt markiert ein Zusatzkonzert. Und zwar eines, das es in sich hat: „Jetzt“, „Poulet“, „Continuer“, „Soleil“ (das am Ende vom Publikum allein weitergesungen wird), „Jamais“, „Merci“, „Ska“, „Zu schnell“, „Zeit ist Geld“, nicht zuletzt „Rebelles“ und „Travailler“ (beides Irie-Signatur-Stücke, die einem kaum mehr aus dem Kopf gehen) oder das ganz zu Anfang schon angerissene „Antifaschist“: Song um Song zahlt die Formation in ein intensives Konzerterlebnis ein.
Rapper Silence verspricht neue Tour im kommenden Jahr
Als „unfassbares Gefühl“ beschreibt Rapper Silence, alias Andreas Spreier, an einer Stelle die Rückkehr nach bald acht Jahren. Und man fragt sich schon, was die Bandmitglieder in der Zeit der Bühnenabsenz mit all ihrer, nun wie aus einem Druckkessel zischenden Performance-Energie angefangen haben. Bei Pablo Charlemoine weiß man es: Er hat das Album „Amour & Résistance“ aufgenommen und live präsentiert, beides zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Osy Ris, der an diesem Abend auch das Vorprogramm eröffnet (anschließend zeigt die Berliner Crossover-Band Kafvka ebenfalls klare, hochdynamisch rockende Anti-Nazi-Kante).
Während der Show gibt es ein Mal-Élevé-Segment, in dem Carlito seinem Bruder allein das Mikro überlässt, der mit der Band seine Album-Titel „No Pasaran“ und „Barrer“ präsentiert. Nächstes Jahr werde er wieder mit neuen Songs und einer neuen Tour am Start sein, verspricht Mal Élevé. Zu voller, vereinter Kraft läuft die Gruppe auch in der Zugabe auf, „Fäuste hoch“ heißt es da noch einmal, bevor „Explosion“ den furiosen Schlussknall setzt. Keine Frage: Wer noch Karten bekommen hat, darf sich auf den Dezember in der Maimarkthalle freuen.
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