Heidelberg. Die internationale Migration war ein Schwerpunkthema des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg, dessen 74. Ausgabe an diesem Sonntag mit einer „Closing Night“ und letzten Filmvorführungen zu Ende geht. Häufiger traf man hier außerdem auf die Erzählperspektive sehr junger Hauptfiguren. Die am Donnerstagabend im Heidelberger Karlstorbahnhof mit den Hauptpreisen geehrten beiden Filme vereinigen diese Besonderheiten: Die Arbeitsmigration innerhalb Chinas spielt eine Rolle im Beitrag „Nighttime Sounds“ des Regisseurs Zhang Zhongchen, der selbst erst über Umwege zum Filmgeschäft kam und nun für seinen zweiten Spielfilm den mit 30.000 Euro dotierten (von der Manfred-Lautenschläger-Stiftung finanzierten) International Newcomer Award für den besten Film im Wettbewerb gewann; und die kanadisch-ungarische Regisseurin Sophy Romvari erhielt den mit 15.000 Euro dotierten, von der Fassbinder Foundation finanzierten Rainer Werner Fassbinder Award für ihr Drehbuch zu dem von ihr inszenierten ersten Langfilm „Blue Heron“ - ein Spielfilm über eine Familie, die aus Ungarn auswandert, um fortan in Kanada zu leben und zu arbeiten.
Künstlerischer Umgang mit internationalen Problemen beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Was beide Filme zusätzlich verbindet, ist der Umstand, dass sie von persönlichen Erfahrungen und Prägungen ihrer Urheber inspiriert sind. Beide verdeutlichen zudem sehr klar, was noch immer das unverkennbare Profil dieses Festivals ist: Es zeigt die Arbeiten junger Filmschaffender, die einen eigenen künstlerischen Weg gehen; und es vermittelt damit auch Einblicke in die unterschiedlichen Weisen, wie weltweit auf internationale Themen und Probleme künstlerisch reagiert wird.
Die internationale Jury attestierte dem chinesischen Film „visuelle Schönheit“; „feinfühlig und nuanciert“ widme er sich seinem gewichtigen Thema, familiären Belastungen vor dem Spiegel der Zeitgeschichte. Der Film „Blue Heron“, der zudem mit dem von Studierenden vergebenen Student Award geehrt wurde, übertreffe „die Erwartungen an das narrative Kino“ und spreche „für die Erfahrungen von Familien aus der ganzen Welt“, so die Jury. Die Geehrten nahmen hocherfreut ihre Preisstatuetten im Karlstorbahnhof in Empfang - und betonten, wie wichtig es ihnen auch unabhängig von den Auszeichnungen gewesen sei, bei diesem Festival dabei zu sein.
Wertschätzende Worte für das Festival gab es erwartungsgemäß an dem Abend, durch den Nicole Köster vom Südwestrundfunk als Moderatorin führte, noch mehr. Der baden-württembergische Kulturstaatssekretär Arne Braun attestierte dem Festival wie insgesamt den Filmfesten im Ländle, dass ohne sie kein Kino denkbar sei; normalerweise treffen sie die Vorauswahl, auf die Kinoverleiher und Kinoprogrammmacher dann zurückgreifen. Und auf Festivals erlebt ein aufgeschlossenes Publikum, was es Neues gibt in Sachen Film. Braun nannte die Festivals „ein Netzwerk für Macher“ und richtete angesichts von auch finanziell angespannten Zeiten einen Appell an Filmschaffende und Publikum: „Lasst uns zusammenstehen, auch für die Kultur.“
Viel Lob von Jury und Publikum beim Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Festival-Direktor Sascha Keilholz erläuterte das Selbstverständnis der Verantwortlichen durch das diesjährige Festivalmotto „Feel good?!“; es gehe darum, ein Programm zusammenzustellen, das die althergebrachte Unterscheidung zwischen ernster Kultur und Unterhaltung überwinde; man wolle dazu ermuntern, miteinander im Gespräch zu bleiben, über persönliche Erfahrungen wie über Allgemeines. Es gehe nicht nur darum, sich gut zu fühlen, sondern sich erst eigentlich wahrzunehmen, wozu die Kunst ebenfalls beitragen könne.
Keilholz zog schon vorab eine positive Bilanz der 74. Festivalausgabe, die insgesamt 74 Filme aus 56 Ländern präsentierte, darunter viele deutsche Premieren. Das Programm sei von der Jury wie vom Publikum sehr gelobt worden. Dass Keilholz mit einer Gesamtbesuchszahl mindestens auf dem Niveau des Vorjahres rechnet, hatte der Festival-Direktor bereits vor dem Festivalbeginn mit Blick auf den Kartenvorverkauf im Interview mit dieser Redaktion gesagt.
Die Preisträger des 74. Festivals
- International Newcomer Award (30.000 Euro): „Nighttime Sounds“ von Zhongchen Zhang.
- Lobende Erwähnung der Internationalen Jury: „Funeral Casino Blues“ von Roderick Warich.
- Rainer Werner Fassbinder Award (15.000 Euro): Sophy Romvari für das Drehbuch zu „Blue Heron“.
- Young Actors Award (10.000 Euro): Noah Sayenko für seine Rolle in „Regen fiel auf nichts Neues“.
- Student Award der Jungen (Studenten-) Jury (5.000 Euro): „Blue Heron“.
- Award der Ökumenischen Jury (2.500 Euro): „Sink“ von Zain Duraie; lobende Erwähnung für „Adam‘s Sake“ von Laura Wandel.
- Award der FIPRESCI-Jury (Preis der Filmkritik): „Reedland“ von Sven Bresser.
- Audience Award (Publikumspreis, 5.000 Euro): „Surviving Earth“ von Thea Gajić. tog
Erstmals wurde in diesem Jahr auf dem Internationalen Filmfestival auch der maßgeblich vom SWR getragene Deutsche Dokumentarfilmpreis verliehen. SWR-Intendant Kai Gniffke sowie Carl Bergengruen, Geschäftsführer der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, betonten dabei ebenfalls den Wert der Filmkultur, besonders des Dokumentargenres. Ausgezeichnet wurden die Filme „Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma (Hauptpreis, 20.000 Euro) „Sisterqueens“ von Clara Stella Hüneke (Musikpreis, 5.000 Euro) sowie „Tell Them About Us“ von Rand Beiruty (Förderpreis, 3.000 Euro). Da diese Filme nicht auf dem Festival zu sehen waren, fügte sich die etwas ausführliche Verleihung nicht recht in den Rahmen des Abends ein. Aber bestätigt wurde so gleichwohl der Anspruch des Mannheim-Heidelberger Festivals, ein Ort der Filmkunst zu sein.
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