Mannheim. Jeder Schlagzeuger ist wohl ein verhinderter Melodiker. Vielleicht beginnt Erwin Ditzner deshalb sein Solo-Programm beim Enjoy-Jazz-Festival in der Alten Feuerwache Mannheim mit gesanglichen Tonfolgen. Es klingt, als spiele er auf Synthesizer-Pads, aber er trommelt auf einem simplen Plastikrohr, das abgestimmte Töne zu erzeugen erlaubt. So genau ist das nicht zu sehen, denn der Musiker erscheint zunächst nur als mächtiger Schatten auf einer Leinwand. Lichtdesigner Benjamin Sandro Jantzen sorgt mit atmosphärischen Form- und Farbeffekten für eine faszinierende visuelle Choreographie.
Ein Hexenmeister hypnotischer Grooves
Doch schon rein musikalisch ist der Auftritt spektakulär. Ditzner präsentiert sich als virtuoser Hexenmeister in der Beherrschung hypnotischer Grooves, komplexer polyrhythmischer Schichtungen, vertrackter gegenläufiger Schlagfolgen. Es zeigt sich, dass sein Spiel nicht der eigentlichen Jazz-Tradition entstammt, die letztlich auf die Snare-Trommel-Akzente von Marching Bands zurückgeht. Sein Stil ist vielmehr geprägt von westafrikanischem Rhythmusgefühl, das auf zirkulierenden Mustern und pulsierenden Phrasen basiert.
Wie er pochende Beats auf der Schlitztrommel in kreisende Patterns auf dem Drumset integriert, dürfte einzigartig sein. Neutönerisch ist auch sein Einsatz einer elektrisch verstärkten Zither, die klirrt wie eine E-Gitarre und die Illusion einer Ein-Mann-Band erzeugt. Was aber wirklich begeistert, ist die Art, in der Ditzner sein Schlagzeug durch rhythmische Syntax zum Reden bringt: Sätze, Ausrufe, Gedanken formuliert. Man hört Psychogramme eines Trommlers. Unglaublich.
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