Das Wichtigste in Kürze
- Provinz präsentiert am 30. August in Ladenburg ihr drittes Album „Pazifik“.
- Die neuen Songs kombinieren Indie-Pop mit elektronischen Elementen und 80er-Jahre-Sounds.
- Lieder wie „Draußen ist Krieg“ sprechen Themen der Generation Z an.
Provinz sind ein schönes Beispiel für die separierte Filterblasen-Kultur unserer Zeit: Die einen fragen „Provinz - wo?“, die anderen gehören zu den textfesten Fans dieses Indie-Pop-Quartetts aus dem oberschwäbischen Örtchen Vogt, die deutschlandweit für fünfstellige Besucherzahlen sorgen.
Neben Max Giesinger und Revolverheld erfolgreichste Teilnehmer des Mannheimer Förderprogramms
Damit sind die Wahl-Hamburger neben Max Giesinger und Revolverheld die nachhaltig erfolgreichsten Mitglieder des Bandpool-Förderprogramms der Mannheimer Popakdemie, zu dessen 20. Generation sie 2018 zählten. Mit 10.000 Fans ist auch am 30. August zu rechnen, wenn Provinz auf ihrer Open-Air-Tournee auf der Ladenburger Festwiese spielen. Quasi ein Heimspiel in der - nun ja, Provinz.
Inhaltlich im Fokus von Sänger und Gitarrist Vincent Waizenegger (26), Keyboarder Robin Schmid (30), Bassist Moritz Bösing (33) sowie Schlagzeuger Leon Sennewald (26) wird dabei ihr drittes Studioalbum „Pazifik“ stehen. Das ist am Freitag erschienen und erweitert das Stilspektrum der gelernten Indie-Pop-Band um dominante elektronische Elemente, vielfältigere Gitarren- und verstärkt 80er-Jahre-Sounds - sowieein 80er-Jahre-Saxophon, das Paul-Georg Sonntag von der Dresdner Rap-Band 01099 zum ersten Song „Kein Tag ohne dich“ beisteuert. Das überrascht angenehm. Denn schnell wird klar: Diese Band hat nicht vor, ihr bisheriges Erfolgsrezept zu einem Hymnen-Einheits im Spektrum zwischen Coldplay und den Killers zu verkochen.
Lieder wie „Draußen ist Krieg“ bestätigen den Ruf als Sprachrohr ihrer Generation
Waizeneggers sehr gefühliger, leicht polarisierender, aber dadurch unverkennbarer Gesang bleibt das Markenzeichen von Provinz, die sich zum Sprachrohr eines Teils der Generation Z entwickelt haben: In den Texten geht es um demonstrative Verletzlichkeit nicht nur in Beziehungen und zivilisiert kanalisierte Wut über die Verhältnisse. Der Titelsong „Pazifik“, benannt nach einer Playlist mit für Provinz stilprägenden Songs ist noch das übliche Liebeskummer-Lied. Aber schon das ungewöhnlich mit Autotune und The-Cure-Beat verzierte „Bringst du mich nachhaus“ überrascht wieder.
Die vierte Nummer „Draußen ist Krieg“ belegt mit trotzigem Großraum-Club-Beat, w a r u m Provinz sich zum Sprachrohr eignen. Mit einfachen Worten bringen Waizenegger und der Berliner Rapper $oho Bani nicht nur die eigene Gefühlslage in einer duchdrehenden Welt auf den Punkt: „Und draußen ist Krieg / Du schließt die Augen, bis du gar nichts mehr siehst / Träumst du vom Paradies /Wenn der Hass seine Grenze verschiebt? / Wach‘ nie wieder auf, Melatonin / Draußen ist Rauch, doch dein Lieblingslied läuft auf Repeat / Alles gut, wenn du sie fest genug schließt / Ja, aber draußen ist Krieg.“
Man kann sich jetzt schon vorstellen, wie die Masse dieses in jeder Hinsicht eindringliche Lied im Spätsommer feiert. Auch wenn es um die eigene Verantwortung geht, nicht wegzuschauen: „ „Die Zeiten sind politischer“, sagt Waizenegger. Demokratie sei nicht mehr selbstverständlich. Das mag dringlich klingen, wirkt aber nicht so aggressiv wie der Anti-Boomer-Song „Hymne gegen euch“.
„Eure besten Kinder fahr’n heute Nacht zur Hölle, wir sing’n Halleluja, halleluja
Danach gibt es Kontrastprogramm: „Walzer“ - wörtlich genommen. Danach gibt es viel Gefühls-Introspektion und mit „Halleluja“ noch so eine Sprachrohr-Hymne, diesmal in K.I.Z.-Tradition: „Eure besten Kinder fahr’n heute Nacht zur Hölle, wir sing’n Halleluja, halleluja (...) Sie nenn’n uns traurige Jugend, ich glaube, sie lügen / Eure letzte Hoffnung liegt high im Garten / Denn die Zeit, die ihr euch genomm’n habt (Halleluja) / Ist die Zeit, die uns gefehlt hat.“
Der beste Song „1000 Nächte“ beginnt klein und minimalistisch, entwickelt sich aber zu einer dramatisch intensiven Indie-Pop-Arie von internationalem Format. Das musikalisch aufmunterndste Lied „Sommer macht melancholisch“ setzt einen emotional nötigen Kontrapunkt. Mit „Alaska“ und „Indigo“ klingt die gut gepresste, für Electro-affinen Deutschpop erstaunlich organisch klingende Vinyl-LP relativ versöhnlich aus. Das aufwendig gedruckte Aufklappcover ist spartanisch ausgestattet. Nur ein Textblatt mit Danksagung ist beigelegt. Aber die zwölf Songs mit 40 Minuten Spielzeit bieten auch so genug Stoff zum Verarbeiten.
Zum Konzert
Provinz spielen am Samstag, 30. August, ein Open Air auf der Ladenburger Festwiese. Karten ab 68,05 Euro plus Gebühren unter eventim.de
Ihr drittes Studioalbum „Pazifik“ ist am 21. Februar 2025 bei Warner Music erschienen.
Die beiden Vorgängerplatten „Wir bauten uns Amerika“ (2020) und „Zorn & Liebe“ (2022) landeten auf Rang vier und zwei der deutschen Albumcharts .
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-regionale-kultur-diese-neuen-songs-bringen-provinz-mit-nach-ladenburg-_arid,2287292.html