Mannheim. Um es gleich vorwegzunehmen: Star-Geiger David Garrett hat die SAP Arena am vergangenen Montagabend zum Beben gebracht. Am Ende seiner Show steht das Publikum von den Stühlen auf, klatscht, johlt, tanzt und fordert Zugaben. Das macht sofort klar: Mit seinem neuen Crossover-Projekt „Millennium Symphony“ trifft Garrett bei seinen Fans genau ins Schwarze. Kein Wunder, denn die Arena-Show kombiniert anspruchsvolle Orchester-Arrangements mit den größten Radio-Hits der vergangenen 20 Jahre zu einem überraschend stimmungsvollen Klangerlebnis.
„Die Geige ist sicher nicht das coolste Instrument – ich will sie aber dazu machen“, sagt Garrett in einem Pausen-Einspieler der Show. Und das gelingt ihm auch. Nicht nur, weil er außerordentlich gut spielt; sondern auch, weil der Ausnahme-Geiger weiß, wie er sich inszenieren muss. Denn um seine Hit-Covers tobt eine imposante Show. Ständig passiert etwas auf der Bühne: Mal tanzt eine Akrobatin an einem Reifen unter dem Hallendach, mal bohren sich Feuersäulen in die Luft, mal wabert dichter Nebel über dem Bühnenboden. Kurz gesagt: Das Konzert in Mannheim ist ein Pop-Klassik-Spektakel, das die Zuschauer immer wieder von den Stühlen reißt.
Ein musikalisches Feuerwerk der Gegensätze entfaltet sich
Aber der Reihe nach: Schon vor Konzertbeginn liegt Spannung in der Luft. Auf der Videoleinwand vibriert ein farbiges Oszillogramm, während das Bohemian Symphony Orchestra Prague (BSOP), mit dem Garrett auf seiner Tour unterwegs ist, mit ersten düsteren Streicherflächen einsetzt. Besonders beeindruckend: Die Musiker sitzen in übereinandergestapelten, quadratisch angeordneten und beleuchteten Boxen, eingerahmt von zwei riesigen LED-Screens. Dann spricht eine sonore Stimme vom Band: „Ladies and Gentlemen – this is David Garrett.“ Die Mitte der Bühne öffnet sich, und aus einer Lava-ähnlichen Projektion tritt Garrett hervor. Der Auftakt-Song: „Seven Nation Army“ von den White Stripes. Bassist Vincen Garcia spielt das berühmte, abwärts gezupfte Riff, während Drummer Bodi van der Heijden mit der Kickdrum am Schlagzeug den Beat vorantreibt.
Sofort klatschen alle mit, Feuersäulen schießen empor. Und: Garrett spielt nicht nur, er performt – tanzend, mit geschlossenen Augen, jeden Ton auskostend.
Die Setlist des Abends ist sorgsam kuratiert: Schnelle, energiegeladene Stücke wechseln sich mit ruhigen, gefühlvollen Momenten ab. Während der ikonische Hit „Survivor“ von Destiny’s Child mit rasant gespielten Sechzehntel-Läufen auf der Geige und druckvollen, fast filmmusikalischen Orchesterpassagen daherkommt, bildet „The Loneliest“ von Måneskin mit sanften Klaviertönen und rosa Bühnennebel einen deutlichen Kontrast. „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana entfaltet seine rohe Energie mit donnernden Gitarrenriffs und Garretts virtuoser Sologeige, bevor mit „Walk This Way“ von Run DMC und Aerosmith ein funkig-groovendes Rock-Hip-Hop-Crossover folgt. Garrett versteht es, Stimmungen geschickt zu lenken und in seiner Songauswahl eine Balance zwischen Stil, Tempo und Instrumentation zu schaffen.
Ein weiteres Highlight ist die Performance zu „Shape of You“ von Ed Sheeran kurz vor der Pause: Garrett nutzt eine Loop-Station auf einer B-Stage am anderen Ende der Halle, um in Echtzeit mehrere Geigenstimmen übereinanderzulegen. Mit jeder neuen Spur verdichtet sich der Sound, bis schließlich der komplette Song aufgebaut ist. Dazu erhebt sich die Bühne langsam, eine Discokugel taucht die Arena in drehende, flackernde Lichtreflexe, und das Publikum klatscht im Takt.
Garretts mutige Hommage an Rammstein trotz Kontroversen
Garrett zieht kurz zuvor noch einen besonderen Vergleich zu Rammsteins Song „Mein Herz brennt“, als er sagt: „Ich liebe Beethoven. Der Wechsel von der Stille hin zum Brachialen, Epischen macht seine Musik unberechenbar – das ist bei der nächsten Nummer genauso. Wir spielen jetzt ‚Mein Herz brennt‘ von Rammstein für euch.“ Ein Raunen geht durch das Publikum – nicht zuletzt, weil die Band immer noch mit Vorwürfen rund um Machtmissbrauch und das Groupie-Casting-System „Row Zero“ konfrontiert ist.
Doch Garrett und Rammstein-Sänger Till Lindemann sind alte Bekannte; sie veröffentlichten sogar 2020 das Duett „Alle Tage ist kein Sonntag“ zusammen. Gegenüber dem österreichischen Sender oe24 sagte Garrett: „Cancel Culture gehört nicht zu meiner Lebenshaltung. Ich kenne Till viele Jahre. Auf ihn ist stets Verlass.“ Die Skandale um Rammstein tun der Stimmung auch in Mannheim keinen Abbruch. Das Orchester setzt mit schweren Streicherakkorden ein, Feuersäulen schießen in den Himmel, während eine Akrobatin an einem Reifen hoch über der Bühne schwebt. Tosender Applaus hallt am Ende der Nummer durch die SAP Arena.
Zum Abschluss der Show kehrt Garrett auf Wunsch des Publikums mit zwei Zugaben zurück: „Welcome to the Black Parade“ von My Chemical Romance spielt er, während er mit seiner Geige durch die Stuhlreihen läuft. Dann setzt „Viva la Vida“ von Coldplay mit vollem Orchester und Band ein, während bunter Konfettiregen auf das jubelnde Publikum hinabrieselt.
David Garrett bekommt von seinen Fans Standing Ovations. Und wie ein Rockstar reckt er zum Schluss seine Geige in die Luft, während seine Haare im Wind flattern. Man möchte fast sagen: „Gebt dem Mann doch endlich eine E-Gitarre!“ Aber die braucht er nicht – die Geige ist cool genug.
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