Musik

Carambolo aus Mannheim: Wenn Latin-Jazz zur Migrationsgeschichte wird

Die Mannheimer Band Carambolo vereint spanische Rockklänge und Jazz-Elemente. Was die neue EP „Lejànias“ so besonders macht und warum sie jetzt in Kolumbien touren.

Von 
Georg Spindler
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Die Gruppe Carambolo mit Bandleader Antonio García Hosie (2. v.r.). © Max Schroth

Mannheim. In einem guten Popsong steckt mitunter sehr viel Tiefgang. „Nos Vamos“ von der Mannheimer Band Carambolo etwa schildert in fünf Minuten eine ganze Migrationsgeschichte. Er handelt von einer Mutter, die ihre Heimat im globalen Süden verlässt und mit ihren Kindern nach Deutschland kommt. Der Entschluss, das zu tun, fällt nicht leicht, erzählt wird dies mit vertrackten Rhythmen und versetzten Beats.

„So eine Entscheidung ist geprägt von Chaos und Hektik, ich habe den Song daher im 5/4-Takt geschrieben“, erklärt Sänger und Keyboarder Antonio García Hosie im Gespräch mit dieser Redaktion. Er ist Bandleader, Komponist und Texter von Carambolo, die Mannheim im August bei einer Tournee durch Kolumbien vertreten werden, dafür haben sie eine Exportförderung vom Jazzverband Baden-Württemberg erhalten.

Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das Alternative-Rock, Latin-Fusion und Jazz zusammenbringt. García, der 2014 nach Mannheim kam, um bei Ann Malcolm und später bei Fola Dada Jazzgesang zu studieren, startete Carambolo bereits 2017. „Es war ursprünglich ein Duo-Projekt mit einem Schulfreund von mir, Julián Montilla, einem Drum-'n'-Bass-Producer, der damals in Berlin lebte. Das Konzept sah vor, Jazz-Kompositionen mit lateinamerikanischen Rhythmen in einem elektronischen Format zu vereinen“, berichtet García. Die Debüt-EP „Cauce“ erschien 2018. Als Montilla nach Kolumbien zurückkehrte, lag das Projekt erst einmal auf Eis.

Bandmitglieder kommen aus Deutschland und Kolumbien

Heiß wurde es erst wieder 2023, als García sich entschied, Carambolo für sein Master-Konzert als Live-Band wieder aufleben zu lassen. Seit Anfang dieses Jahres besteht die aktuelle, deutsch-kolumbianische Besetzung mit Max Schroth (Bass), Jakob Dinnebier (Schlagzeug), Felipe Suárez León (Gitarre) aus Mannheim und dem in Nürnberg lebenden Gitarristen Oscar Mosquera. „Die Besetzung entspricht sehr gut der Kombination beider Kulturen“, findet García.

Rechtzeitig zur Kolumbien-Tournee ist nun eine neue, die dritte EP von Carambolo erschienen: „Lejànias“. Wie bisher sind alle Songtexte auf Spanisch. „Ich habe schon Erfahrung damit, auf Englisch zu schreiben“, sagt García. „Aber ich kann nicht so tief gehen und so poetisch sein wie auf Spanisch.“ Und gehaltvoll sind sie, die Songs des Albums, dessen Titel auf Deutsch „Abstände“ heißt. „Alle drei Stücke stellen eine Art Abstand dar, in Bezug auf Liebe, Heimat und zu sich selbst als Mensch“, sagt der Bandleader.

Carambolo steht für ein einzigartiges Fusionprojekt mit persönlichen Geschichten

„Puerto“, mit spannungsvoll aufgebrochenem Reggae-Rhythmus, erzählt mit schwelgerischem Gesang von einem Mann, der aus einer Beziehung weggeht, in der Hoffnung, sie aufrechterhalten zu können. Als er zurückkehrt, kommt alles anders. „Es ist ein autobiografischer Song, er erzählt eine wahre Geschichte“, sagt García.

Der betörendste Titel ist „Lo Necesario“, eine Ballade mit schwebenden Gitarrenklängen, die der Vokalist mit beschwörender Sinnlichkeit intoniert. „Es geht dabei um die Frage: Was ist für uns Menschen nötig? Und wann in unserem Leben kommt das, was wir brauchen? Manchmal dauert es, manchmal schaffen wir es aber überhaupt nicht, das für uns Notwendige zu erreichen.“ Auch hier: viel Gehalt in fünf Minuten.

Redaktion

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