Klassik

Akademiekonzert Mannheim: Jeder spielt für sich allein

Wie Marc Minkowski und Suzana Bartal beim Akademiekonzert in Mannheim nur bedingt zusammenfinden.

Von 
Hans-Günter Fischer
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6. Akademiekonzert mit Dirigent Marc Minkowski und Pianistin Suzana Bartal im Mpzartsaal des Rosengartens. © Markus Prosswitz / Photo-Proßwitz

Mannheim. Einmal lag es an der Weltgesundheit (zu Corona-Zeiten), einmal auch am eigenen, persönlichen Befinden: Das geplante Auftreten des Dirigenten Marc Minkowski bei den Mannheimer Akademiekonzerten wollte anfangs nicht zustande kommen. Jetzt ist der Franzose aber da, und menschlich hat es offenbar gepasst bei seinem Umgang mit den Nationaltheater-Instrumentalistinnen und –Instrumentalisten.

Patrick Koch, Solo-Klarinettist, berichtet in der Einführung zum ersten Abend, dass der Gast am Pult pragmatisch aufgetreten sei: „Er weiß, welches Orchester er hier vor sich hat.“ Das heißt: Es handelt sich um einen Klangkörper, der alles können muss. Vor allem Opernrepertoire. „Minkowski hat uns einfach spielen lassen“, freut sich Koch, er habe sich ganz offen alles angehört. Nur manchmal habe er mit einer bildhaften Beschreibung das Orchester inspiriert, etwa wenn in der sechsten Sinfonie von Beethoven, der „Pastorale“, nach dem Unwetter im vierten Satz die Atmosphäre wieder klarer wird: „Wir sind klitschnass! Doch plötzlich bricht die Sonne durch die Wolken.“

Der Schulterschluss mit der Solistin ist kein allzu enger

Bis es allerdings im vollbesetzten Mozartsaal des Rosengartens so weit ist, steht erst einmal die Aufführung von Edvard Griegs Klavierkonzert auf dem Programm. Dass Marc Minkowski bei dem Stück nicht unbedingt im Zentrum seines Repertoires agiert, ist offenkundig. Er zeigt keinen großen Ehrgeiz, Griegs Orchestersprache seinen Stempel aufzudrücken. Wüsste man nicht, dass es wirklich er ist, der hier dirigiert – die weltweit anerkannte Koryphäe des „historisch informierten“ Musizierens -, hören würde man es kaum. Es herrscht ein spätromantisch satter, fast ein wenig fetter Ton vor, der bisweilen viel Vibrato einsetzt. Wenn die Pianistin eine Pause einlegt, öffnen sich die orchestralen Schleusen weit. Das Solohorn im zweiten Satz kommt dabei wunderschön zur Geltung.

Doch der Schulterschluss mit der Solistin ist kein allzu enger, jeder spielt für sich allein. Diese Solistin heißt Suzana Bartal, die französisch-ungarische Pianistin konzentriert sich vollständig auf den Klavierpart. Setzt auf „tadelloses“ Absolvieren aller technischen Erfordernisse. Das gelingt. Was manchmal fehlt, ist der Aplomb, der letzte Nachdruck. Mehr Solisten-Ego wäre möglich. Und auch wünschenswert – in den Kadenzen beispielsweise oder auch im Einstieg in den Schlusssatz, wo der Komponist den Springtanz „Halling“ von der Leine lässt und sich zu seiner Heimat Norwegen bekennt. In Reihe 16 jedenfalls kommt das Klavierspiel Bartals mit Präsenzverlusten an, so weit war der gefühlte Abstand zum Orchesterpodium selten.

Nächstes Mannheimer Akademiekonzert

Das nächste Mannheimer Akademiekonzert ist am 26. und 27. Mai , jeweils um 20 Uhr, im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens.

Generalmusikdirektor Roberto Rizzi Brignoli dirigiert dabei Musik, die Brahms und Liszt als Goethe-Interpreten zeigt – mit der „Alt-Rhapsodie“ und „Faust-Sinfonie“.

Solisten sind die Mezzosopranistin Gerhild Romberger und der Tenor Christopher Diffey .

Auch der Herrenchor des Nationaltheaters wird in dem Konzert zu hören sein.

Weiter vorne mag der Eindruck etwas anders sein, aber das „große Fass“ macht diese Pianistin nur höchst selten auf. Man muss wohl einen Jan Lisiecki hören, um das Potenzial des Grieg-Konzerts in vollem Umfang zu erleben – das nicht bloß an Schumann anknüpft (im kaskadenartigen Beginn) und Liszt die Referenz erweist (dem großen Förderer des jungen Grieg), sondern auch manchmal schon der ausladenden Pianistik von Rachmaninow den Weg zu weisen scheint.

Aber das Publikum im Mozartsaal ist dennoch hochzufrieden und bekommt als Zugabe den Mittelsatz der Sonatine von Maurice Ravel, des großen Jubilars im Monat März, vor 150 Jahren auf die Welt gekommen. Dieses „Menuet“ klingt bei Suzana Bartal angemessen stilisiert. Fast zugeknöpft.

Zum Schluss verneigen sich Dirigent und Orchestermusiker

Doch dafür geht der Dirigent zumindest nach der Pause mehr aus sich heraus, scheint deutlich stärker involviert und engagiert zu sein. Schon gestisch. Dabei achtet Marc Minkowski trotzdem auf die Schlankheit des Orchesterklangs, in den Naturbildern der sechsten Sinfonie von Beethoven sollen die Farben nicht zum Ölschinken verklumpen. Sondern sich zumindest in den ersten beiden Sätzen zu einem hauchzarten, pastoralen Aquarell zusammenfügen. Dann jedoch könnte man glauben, dass die Landleute bei ihrem „lustigen Zusammensein“ eine Revolte planen statt bloß einen derben Bauerntanz in Wirtshausdielen zimmern wollen. Hier schlägt doch einmal die alte Radikalität Minkowskis durch. Und diese Aufladung der musikalischen Verhältnisse leitet perfekt zu der Gewitterszene über, ehe sich zum Schluss, breit angelegt, der Dankgesang entfaltet. Was den Kreislauf der Natur vollendet.

Originell ist auch, dass Marc Minkowski mit französischem Akzent – was ja per se charmant wirkt – alle Überschriften der fünf Sätze mündlich ansagt. Und beim Schlussjubel verbeugt sich nicht allein der Dirigent, er bringt auch die Orchestermusiker dazu, sich zu verneigen. Was recht ungewöhnlich ist.

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