Nationaltheater

Premiere von Stadtensemble-Koproduktion „Golden Record Studios: Mannheim“ im Studio Werkhaus

Spannendes Theater-Projekt in Mannheim: Das Kunstkollektiv matthaei & konsorten gastiert drei Tage lang am NTM und bindet neben dem Publikum auch das Stadtensemble in das "Golden Record Studio“-Projekt mit ein. So lief die Premiere

Von 
Martin Vögele
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Das Kunstkollektiv matthaei & konsorten gastiert drei Tage lang am Nationaltheater Mannheim. © NTM

Mannheim. Das Kunstkollektiv matthaei & konsorten macht mit seinem international reisenden „Golden Record“-Projekt am Mannheimer Nationaltheater Station. In Kooperation mit dem Stadtensemble und zahlreichen „Kolllaborateur*innen“ aus der Stadt und der Region entsteht dabei eine neue Version der Datensammlung, die mit den beiden Voyager-Raumsonden 1977 ins All flog.

Bald werden 50 Jahre vergangen sein, seit die beiden Voyager-Forschungssonden der NASA ihren interstellaren Raumflug starteten. Mit an Bord: Eine Golden Record, eine goldene Datenplatte mit Bild- und Audio-Informationen, die außerirdischen Lebensformen Kenntnis von der Existenz der Menschheit vermitteln sollte.

Es war dies, wenn man so will, Kontaktanzeige, Vermächtnis und Selbstdarstellung der Menschheit zugleich, oder besser: Die Selbstdarstellung eines sehr spezifischen, US-amerikanisch/westlich geprägten Teils der Menschheit. Was 1977 an Musik, Bildern, Informationen ausgewählt und was ausgelassen wurde, ist dabei von gleichermaßen aussagekräftiger Bedeutung.

„Golden Record Studio“-Projekt gastiert drei Tage in Mannheim

Drei Tage lang ist die Kunst- und Theatergruppe matthaei & konsorten im Zuge ihres international reisenden „Golden Record Studio“-Projekts am Mannheimer Nationaltheater (NTM) zu Gast. An jedem Abend findet eine „Versammlung“ statt, wobei es darum gehen soll, gemeinsam eine neue Golden Record zu erstellen, wie der künstlerische Leiter Lukas Matthaei zur Premiere im Studio Werkhaus erklärt.

matthaei & konsorten arbeitet für „Golden Record Studios: Mannheim“ mit dem Stadtensemble des NTM unter Leitung von Beata Anna Schmutz sowie vielerlei „Kollaborateur*innen“ aus der Stadt und der Region zusammen. Das Publikum ist gleichfalls angehalten, tatkräftig an der live vom Bermudafunk-Radio in den Äther ausgestrahlten Produktion mitzuwirken.

Publikum darf beim „Golden Record Studio“-Projekt selbst Beiträge basteln

Das Studio gleicht hierbei einer Wunderkammer, angefüllt mit Requisiten und Exponaten, eins davon: die unlängst bei Bauarbeiten aufgefundene „Zeitkapsel“ des NTM. An mehreren Labor-Stationen bastelt das Publikum selbst Beiträge, am „Bildgenerator“ etwa, in der „Schreibstube“ oder an der „Sample“-Station, wo Karlheinz Schneider vom Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein Sprache in Brailleschrift transformiert. „Ratspräsidentin“ Julia Alicka formuliert im Austausch mit Besuchenden einen Stichwort-Katalog für die Datensammlung („Selbsterkenntnis“, „Memento Mannheim“, „Vielfalt“).

Dazu gibt es Vorträge von Fachleuten wie Astronom Klaus Jäger, der mit einer szenischen Darstellung die interplanetaren und -stellaren Dimensionen der Voyager-Reise spielerisch-kundig verdeutlicht. Oder von Thomas Throckmorton vom Mannheimer Marchivum, der erst einen Drucker zertrümmert und dann überaus instruktiv darüber spricht, welche Erinnerungen wir archivieren. Hochinteressante Aspekte bringen auch Bruna Della Torre und Eduardo Altehman (Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien) in den Diskurs ein, darunter, welche politischen und gesellschaftlichen Missstände keine Erwähnung auf den Golden Record fanden. Tayfun Ates und Nawar Habil sorgen indes an Kurzhalslaute und Trommel für einen kunstvoll elaborierten Musikbeitrag.

Noch viel mehr passiert an diesem so anregend munteren wie erhellenden Abend, wenngleich die dramaturgische Klammer über eine Dauer von mehr als zweieinhalb Stunden doch eher locker sitzt. Aber was ist das schon gegen die 500 Millionen Jahre, die eine Golden Record überdauern soll?

Weitere Vorstellung noch am Sonntag, 13. Oktober: Infos gibt es hier

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