Lesung

Mannheimer Theater: Weihnachtsgeschichte im Kaufhaus statt Stall

Weihnachtsgeschichte mal anders: Kaufhaus statt Stall und die Internationale statt Weihnachtslieder. Die Lesung von "Josef und Maria" am Nationaltheater Mannheim zeigt die "übrig-Gebliebenen" an Heilig Abend

Von 
Julius Paul Prior
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Matthias Breitenbach liest und spielt den Wachmann Josef. © NTM

Mannheim.

An Weihnachten kommen die Menschen zusammen – so will es der Geist der Weihnacht. Auch wenn es sich bei den Zusammenkommenden um einen gescheiterten Sozialisten und einsame Träumerin handelt. Matthias Breitenbach und Almut Henkel verkörpern eben diese bei der inszenierten Weihnachtslesung „Josef und Maria“ von Peter Turrini im Werkhaus des Nationaltheaters Mannheim (NTM).

Wachmann Josef und Putzfrau Maria finden sich am Heiligen Abend im Kaufhaus. Er, weil er niemanden hat, ein „Übriggebliebener“ sei. Sie, weil ihr Sohn sie nicht beim Weihnachtsessen dabeihaben möchte. Mit der Schwiegertochter versteht sich Maria nicht – sie ist aber auch viel zu schlecht für ihr Kind. Mit ein wenig Alkohol „gegen die Einsamkeit“ beginnt die Weihnachtsgeschichte von Josef und Maria – im Kaufhaus statt im Stall und mit der Internationalen, die durch das Lautsprechersystem hallt, statt dem himmlischen Gesang der Engel.

Vom Versäumen und Bereuen

Almut Henken spielt Maria gerade heraus. Sie ist eine Abenteurerin, eine Träumerin. Spontan tanzt sie los – schließlich war Maria damals beim Varieté – und lockt Josef hinter seiner Fassade hervor. Matthias Breitenbach spielt Josef als zunächst zurückhaltenden Mann. Ein Sozialist, der mal ganz groß als Schauspieler rausgekommen wäre, hätte er sein Leben nicht der politischen Arbeit gewidmet. So reden Josef und Maria scheinbar aneinander vorbei, während sie beide in Erinnerungen schwelgen – und in dem, was hätte sein können.

Peter Turrinis Text ist die klassische Weihnachtsgeschichte, aber aus einem völlig anderen Blickwinkel. Es steht nicht die weit verbreitete Weihnachtsstimmung im Vordergrund, sondern Versäumnisse, die der Wachmann und die Putzfrau bereuen. Die Stimmung des Weihnachtsstresses bleibt im Kaufhaus auch nach Ladenschluss erhalten – wobei es die Protagonisten weniger stressig haben, sondern die schlechte Laune zunächst dominiert.

Doch eine Weihnachtsgeschichte wäre keine Weihnachtsgeschichte ohne glückliches Ende. Ob es in diesem Fall wirklich so glücklich ist oder doch nur der weihnachtlichen Stimmung, die der Geist der Weihnacht verlangt, zum Opfer fällt – ohne ein glückliches Leben danach –, bleibt dem Publikum überlassen. Eine zweite Lesung findet am Dienstag, 5. Dezember, um 20 Uhr statt.

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