Der biblische Elias, den Felix Mendelsohn Bartholdy zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts im Oratorium auf die Bühne hebt, ist eine wahre Nervensäge. Aber er ist nun mal ein rechter Prophet, der den Zorn Gottes samt jahrelanger Dürre vorhersagt und wider die falschen Götzen wettert. Er dürfte seinerzeit eher noch weniger beliebt gewesen sein als heutzutage Leute, die sich an Straßen festkleben. Besonders unbeliebt machen sich naturgemäß diejenigen, die am Schluss möglicherweise auch noch Recht behalten. So hatte sich Mendelsohn selbst seinen Elias stark, eifrig, auch wohl bös, zornig und finster vorgestellt.
Stimmliche Überzeugungskraft
In der Aufführung des Nationaltheaters unter der Leitung von Dani Juris liefert Kammersänger Thomas Jesatko einen Elias, wie man ihn sich treffender nicht wünschen kann. Er geht mit schöner Dynamik zur Sache. Seine Ausgestaltung der Szenen ist erzählerisch und lebendig, so dass der Abend an Kurzweil gewinnt. Er hat außerdem die notwendige stimmliche Überzeugungskraft, um die zweifelhafte Gotteswette an den Mann zu bringen, bei der es darum geht, welcher Gott das Opfer denn nun in Brand setzen möge. Jesatko verspottet die Priester des Baal, als bewerbe er sich darum, von ihnen geteert und gefedert zu werden, er lobt darüber hinaus seinen Gott salbungsvoll, er verdammt, er bemitleidet sich selbst, hadert und barmt. Bei allem Sentiment bleibt er deutlich und klar.
Natürlich ist für den Elias das große Aufgebot am Start. Der Opernchor des Nationaltheaters Mannheim samt Extrachor, das Nationaltheater-Orchester und die Solisten sorgen für eine volle Bühne im Musensaal des Rosengartens. Der eigentliche Star des Abends ist und bleibt der Chor. Dani Juris, der mit der Übernahme der Leitung des Staatsopernchores der Staatsoper Unter den Linden in Berlin ab der Spielzeit 2023/24 eine weitere Sprosse der Karriereleiter erklimmt, hat als Chorleiter in Mannheim eine Arbeit geleistet, die von vielen Stimmen aus dem Publikum in hohen Tönen gelobt und bewundert wird.
Die Choreinsätze sind berauschend. Der Klang ist organisch und voll, die Dynamik effektvoll, die Verständlichkeit der Texte gut. Zusammen mit dem Orchester, das seine Arbeit hervorragend verrichtet, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, ergibt sich ein begeisterndes Klangbild. Unter den Solisten sind besonders Tenor Raphael Wittmer mit seiner präsenten Deutlichkeit und Rebecca Blanz, der eine verletzlich klare Verkörperung des Knaben gelingt, hervorzuheben.
Chor feiert Direktor
Nach Verklingen des Schlussakkords ist zuerst ein einsames bewunderndes „Eieiei“ zu hören, bevor ein viele Minuten dauernder Applaus einsetzt. Es ist kaum zu fassen, dass es sich bei diesem „Elias“ um eine Einzelaufführung handelt. Noch weniger ist deshalb zu verstehen, warum der Saal zwar gut besucht, gleichwohl nicht ausverkauft ist. Das anwesende Publikum feiert die Künstler mit wiederholten Bravorufen.
Nach einem ersten Abtritt der Solisten kehrt Dani Juris zurück, aber nicht für eigenen Applaus, sondern um auf den Chor und das Orchester zu weisen. An dieser kleinen, feinen Geste wird die gegenseitige Wertschätzung der Künstler deutlich. Nach mehr Applaus und Blumen hört das Publikum noch von Backstage, wie der Chor Juris feiert.
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