Opern gebe es schon ziemlich lange, schreiben die Programmmacher in Mannheim. Stimmt, es sind inzwischen gut 400 Jahre. Nicht nur für die Jüngeren im Saal könnte es daher reizvoll werden, eine kleine Zeitreise zu unternehmen: in die wichtigsten Epochen des Musiktheaters, vom Barock über die Klassik und Romantik bis zum Aufkommen der sogenannten Nationalstile. Und deshalb gibt es im Kulturhaus Käfertal auch keine reine Kindervorstellung, neben den Müttern und den Vätern haben sich auch etliche Senioren eingefunden. „Einmal an den Uhren drehen, Menschen aller Zeiten sehen – wäre das nicht was?“, fragt Nationaltheater-Schauspieler Matthias Breitenbach, Animateur und Moderator des Konzerts. „Wir sind bereit!“, schallt es vom Publikum beherzt zurück.
Am Anfang ein A-cappella-Chor
Die Zeitmaschine springt zunächst sogar zu weit in die Vergangenheit und stoppt bei einem A-cappella-Chor im 16. Jahrhundert. Opern kannte man damals noch nicht. Doch geografisch liegen wir schon ziemlich richtig, denn gesungen wurde in der neuen Gattung meist auf Italienisch, dieser Ur- und Umgangssprache des Musiktheaters. Auch in jenen Opern Georg Friedrich Händels, die der deutsche Komponist in London aufführte. Die frühe Internationalität findet Matthias Breitenbach äußerst erfreulich. Er bedauert, dass er als gelernter Sprechtheaterschauspieler so oft im Deutschen hängen bleibe.
Dafür hat die Sängerriege einen wahrhaft internationalen Hintergrund: Es sind die (überwiegend) neuen Mitglieder des Nachwuchsforums Nationaltheater-Opernstudio. Unter ihnen ist etwa der Brite Jordan Harding, der das Publikum mit zungenbrecherischen Sänger-Übungen zum Mitmachen traktiert, à la „A proper copper coffee pot“.
Oder die Israelin Yaara Attias: „Wir singen alle ‚Wow’!“ Und das in höchsten Tönen. Eine Sopranistin hat gut reden. Attias’ Kollegin in der gleichen Stimmlage, die junge Ukrainerin Nataliia Shumska, räumt dagegen scherzhaft ein, es komme auf die Tagesform an, ob sie höher oder tiefer singe. Doch an diesem Tag ist ihre Form nicht schlecht.
An Unterhaltungselementen fehlt es also nicht, und auch der manchmal etwas haspelige Moderator gibt sich alle Mühe, locker aufzutreten und zugleich gewisse Grundkenntnisse zu vermitteln. Wenn er Stichworte wie „Die Philosophie der Aufklärung“ oder „Der Mensch und die Vernunft“ gebraucht, ist das für Kinder ab fünf Jahren fast schon zu abstrakter Stoff.
Doch Claudia Plaßwich, die das szenische Konzept erstellt hat, zeigt sogar den Unterschied zwischen historischem Kostüm- und heutigem Regietheater, Mozarts „Figaro“ ist dafür das geeignete Demonstrationsobjekt. Mal mit Perücke („Vorsicht, Klassiker!“ scheint das zu sagen), mal mit Smartphone-Display statt vergilbtem Briefpapier.
„Ein bisschen was mit Liebe“ wünscht sich Moderator Breitenbach, und damit kann die Gattung Oper ja nicht selten dienen. Pianist Lorenzo Di Toro, stets ein wacher, souveräner, ja gefühlvoller Begleiter, sagt sogar, dass Oper ein Vergnügen sein solle. Die Lebenden unter den Komponisten wissen das nicht immer zu beachten, deshalb werden sie im Zeitreise-Programm auch ausgespart – Konzept und Texte hat Oliver Riedmüller erdacht, am Nationaltheater als Kulturvermittler tätig.
Die Musikauswahl beginnt bei den bereits erwähnten Großmeistern Händel und Mozart und führt über Donizetti, Humperdinck, Tschaikowsky (wo sich Männer ganz im Nationalstil in entblößten Oberkörpern duellieren) bis zu Johann Strauß. Und schließlich doch ins 20. Jahrhundert: zu Strawinsky und „The Rake’s Progress“, dem letzten Werk aus seiner neoklassizistischen Periode – das laut Moderator Breitenbach nach alter Klarheit aus vergangenen Epochen suche.
Am Ende ein Lied aus „La La Land“
Dann singt er den Mackie-Messer-Song aus Brechts und Weills „Dreigroschenoper“ an. Aber er traut sich nicht so recht und bricht gleich wieder ab. Die Opernstudio-Mitglieder sollen das letzte Wort, die letzte Note haben, doch auch sie verlassen den Bereich der sogenannten E-Musik. Sie bilden wieder ein Gesangsquintett, wie bereits zu Beginn beim A-cappella-Chor. Zu Yaara Attias, Nataliia Shumska und Jordan Harding treten Maria Polanska und Niklas Mayer. Und sie bringen aus dem noch fast neuen Musical-Film „La La Land“ das Stück „Another Day of Sun“. Da strahlen auch die Älteren im Saal.
Das Opernstudio und die derzeitigen Mitglieder
- Das Studio gibt es seit 2016, mit ihm will das Nationaltheater Mannheim jungen Sängerinnen und auch Sängern eine Plattform bieten.
- Musikalisch hat Naomi Schmidt die Studienleitung, szenisch Claudia Plaßwich. Im Normalfall währt der Ausbildungszeitraum zwei Spielzeiten – in denen jede Woche Repertoireaufbau und Rollenstudien auf dem Plan stehen. Die Opernstudio-Mitglieder treten auch oft in Nationaltheater-Produktionen auf, das bringt sie in Kontakt mit den erfahrenen Berufskollegen.
- Seit der laufenden Saison besteht die Nachwuchsriege aus den beiden Sopranistinnen Nataliia Shumska (sie ist Ukrainerin) und Yaara Attias (aus Israel); hinzu kommen die Mezzosopranistin Maria Polanska aus Polen, bereits seit 2021 Opernstudio-Mitglied; Niklas Mayer, ein aus Heidelberg gebürtiger, in Salzburg ausgebildeter Tenor; und schließlich Jordan Harding, Bariton aus Großbritannien.
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