Mannheim. Ist Erben fair und nachhaltig? Warum muss sich der Adel oftmals für seine Traditionen rechtfertigen? Im Rahmen ihres Stücks „Das Erbe“ hat sich das Duo Brexit Colada im Soziokulturellen Zentrum Zeitraumexit am Freitag und Samstag mit diesen und anderen Fragen auf künstlerische Weise beschäftigt. Dabei hat das Ensemble den politischen und philosophischen und zudem auch den moralischen Diskurs zum Thema Erbschaft eröffnet.
Hausherr eines Familienanwesens
Im Mittelpunkt der „Neo-Musical-Performance“ stehen die Protagonisten Brexit von Buttlar (Lionel Tomm) und Colada (Farina Jäger-Stabenow) in einer Gesellschaft, die vor dem Abgrund steht. Beide sind adliger Herkunft und haben sich bei einem Treffen für blaublütige Kinder kennengelernt. Während von Buttlar eines Tages Hausherr des Familienanwesens wird, wählte die rebellische Colada früh einen anderen Weg - und brach mit ihrem Elternhaus.
Vererbt werde bei den Adligen nach dem Grundsatz „Blut und Boden“, verrät Colada. Nicht alle Adligen haben eine große Erbschaft zu erwarten, gibt Brexit zu bedenken. Und so diskutieren die beiden mal mehr, mal weniger hitzig, ob man ein Vermögen durch Umverteilen fairer gestaltet. Es geht um Aktivismus und Hedonismus, aber auch darum, ob der Planet doch noch gerettet werden kann.
Trailer zur Performance:
Brexit und Colada tanzen und machen Musik, mal Pop, dann wird der Raum plötzlich zur Disco mit Lichtern und Rauch. Eine große Rolle bei der außergewöhnlichen Performance spielt der Konzertflügel, den Brexit geerbt hat. Das sperrige Instrument nutzen Brexit und Colada nicht nur, um sich selbst zu begleiten. Das große Klavier bringt auch so manche Überraschung zutage, die die Rahmenhandlung der Performance maßgeblich beeinflusst. Und auch das Publikum bekommt die Gelegenheit, aktiv ins Bühnengeschehen einzugreifen.
Neben starken Dialogen drücken Lionel Tomm und Farina Jäger-Stabenow in der Haut ihrer Figuren ihre Haltung mit ausdrucksvollen Songs aus. In dem melancholischen „Das Erbe“, das über einige Hip-Hop-Elemente verfügt, singen sie voller Inbrunst darüber, dass man Menschen, die von einem Nachlass profitieren, den unerwarteten Geldsegen nicht gönnt. „Alles was du kriegst, hast du nicht verdient“, singen und rappen die beiden. Voller Sarkasmus ist „Freiheit“, bei dem es nicht zuletzt um die Illusion der Chancengleichheit geht. Zugleich warnen sie davor, Faschismus als Weg aus der Misere zu sehen.
Einladung zum Austausch
Jäger-Stabenow und Tomm, die mit ihrem Tontechniker Jannik Bessert das tiefsinnige Spektakel auf die Beine gestellt haben, lassen sich nicht in eine Schublade stecken. Das Trio aus Hamburg spielt zudem mit dem Mysterium, wie viel von den Figuren und Anekdoten tatsächlich in ihnen selbst steckt. Dennoch ist die Intention klar: Die Menschen sollen nicht nur zum Nachdenken angeregt werden, sondern sich auch austauschen. Denn über Geld dürfe man sprechen, so Tomm. Für die Performance im Zeitraumexit ernten Brexit Colada viel Beifall.
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