Draußen herrscht die erste warme sommerliche Nacht des Jahres, drinnen im Tollhaus in Karlsruhe eine von Weltschmerz gepeinigte Seniorenausgabe des Nikolaus namens Randy. Ja, die Mitglieder der 40 Jahre alten kalifornischen Hippie-Band The Residents haben jetzt Namen. Aber nur Vornamen. Das Geheimnis, wer hinter den bizarren Masken steckt, wird weiter geheim gehalten. Die Beatles, wie anfangs gemutmaßt wurde, sind es nicht. Begleitet wird Randy von Chuck und Bob an Keyboards und Gitarre, und wer vermutet hatte, dass man das opulente Oeuvre der Residents nur mit Gesang und zwei Instrumenten nicht adäquat auf die Bühne kriegt, irrte.
"WOW", "Wonder of Weird", heißt die Tournee zum 40-jährigen Bestehen der Band, ein Wunder an Schrägheit ist die Show in jeder Hinsicht. "Besessenheit, Wahnsinn und die aufziehende Apokalypse haben nie besser geklungen", hieß es einmal über die Band. Und wenn Randy, der mit dem Altern nicht zurechtkommt und jetzt mit seiner Katze in Los Angeles lebt, nicht so ein guter Schauspieler und Sänger wäre, wäre die Show nur halb so gut. In seinem Kostüm - eine Mischung aus Nikolaus und Clown - nimmt man ihm den Durchgeknallten, am Leben Verzweifelnden, dabei aber umso Liebenswürdigeren umso mehr ab.
Es geht heftig zur Sache
Die Songs der Residents sind wie aus der Welt gefallen, in keinem Kommerz-Radio der Welt spielbar und doch so menschlich, so schön und intensiv. Erstaunlich ist, welche Intensität das Trio auf die Bühne zaubert. Fast jeden Song singt Randy mit einer anderen Stimme, teils elektronisch verfremdet. Und auch wenn die zwei Musiker mal a capella spielen, geht es heftig zur Sache.
Der aufblasbare Nikolaus und der Schneemann im Hintergrund haben etwas von einem Eingang zur Geisterbahn. Etwas in der Art war sicher auch das Leben der Residents. Am Schluss huldigen sie dem Eyeball-Gott, ein aufblasbarer Tannenbaum, der den Augapfel mit Zylinder - den haben sie schließlich erfunden - als Spitze hat. Wunderbar!
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