Schauspielkritik

Wie Mannheims Junges Nationaltheater an den SciFi-Klassiker "Tron" erinnert

Bei der Premiere des vierten und letzten Teils der Theaterserie "Kliffhänger" zeigen Avatare ein Herz für Freundschaft

Von 
Martin Vögele
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Das Ensemble im „Kliffhänger“-Finale (v.l.): Katharina Breier, Sebastian Reich, Moritz Andrea Bürge und Carmen Yasemin Ipek. © Maximilian Borchardt

Sicher, Mo ist eigentlich ein Mensch. Aber die anderen Avatare, denen wir im Herzen der Maschine begegnen, das sind nur Gestalt gewordene „gespeicherte Informationen, nur Daten“, sagt Cache - die damit auch über sich selbst redet. Aber genauso könnte man wohl sagen, Geschichten sind nur aneinandergehängte Worte. Das eine wie das andere ist falsch. Die Geschichte, die in der Schauspiel-Serie „Kliffhänger“ des Jungen Nationaltheaters Mannheim erzählt (JNTM) und nun mit dem finalen vierten Teil zum Abschluss gebracht wird, ist die von Mo (Carmen Yasemin Ipek). Sie ist auf der Suche nach ihrer verstorbenen Schwester Isa in den Router des heimischen Computers gezogen worden.

Man darf sich das ein bisschen nach Art des Filmklassikers „Tron“ und wie eine Neo-Alice im digitalen Wunderland vorstellen. Dort hat sie Cache (Katharina Breier), Fän (Moritz Andrea Bürge), Phonique (Sebastian Reich) und Hämster (Uwe Topmann) kennengelernt, die dafür sorgen, dass die Verbindung zum „Glitzernetz“ steht. Wir menschlichen User, meint Datenordnungshüter Phonique, haben eigentlich nur eine Aufgabe: „das WLAN so zu verschlüsseln, dass sicherer Traffic gewährleistet ist“.

Als Passwort „passwort“ gewählt zu haben, wie in Mos Elternhaus der Fall, mag erklären, warum gerade der nächste aufwallende Daten-Orkan das System zu überhitzen droht. „Es fällt mir schwer, meine Frustration zu verbergen“, sagt Phonique, der sich nicht die geringste Mühe gibt, seine Frustration zu verbergen. Einen Reset braucht es - und der kann vielleicht auch Mo wieder nach draußen befördern.

Die Stückentwicklung des Feder-führenden „Writer’s Room“-Teams Julian Mahid Carly, Annalena Küspert und Shabana Saya, die von Valeria Ryzhonina inszeniert und im Zuge der „>JOIN>?“-Dialog- und Teilhabeinitiative des JNTM in Zusammenarbeit mit der (letztjährigen) Klasse 4d der Mannheimer Uhlandschule entwickelt worden ist, lehnt sich zwar an TV-Formate an. Bei der Premiere von „Teil VIER“ ist indes eine anarchisch-impulsive Spiel- und Inszenierungsenergie zu spüren, die im Fernseh-Kontext ziemlich sicher dem Kalkül der kommerziellen Maximalreichweite geopfert worden wäre.

Ins „Düsternetz“ wagen

Hier darf Mo einfach so ein Dinosaurier-Reiter-Gewand anlegen (Kostüme: Julica Hennig, Regisseurin Ryzhonina und Bühnenbildnerin Viktoria Strikic) und sich ein dramatisches Fadenspiel-Duell mit Cache liefern. Wenn sich die Spielerinnen und Spieler auf der Suche nach der Reset-Buroklämmer ins „Düsternetz“ vorwagen, wird zudem klar, dass es hier im Kern - wie es bei vielen guten Geschichten so ist - vor allem um die Freundschaft geht. Und diese Avatare haben ganz sicher ein echtes Herz.

Das alles ist in den kommenden Tagen noch einmal in konzentrierter Doppelfolgen-Form am einstigen Schnawwl zu sehen: Am 1./2. März wird „Kliffhänger“ als Serienmarathon für Schulklassen und am 4./5. März für alle ab acht Jahre.

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