Konzertkritik

Wie bei Enjoy Jazz im Mannheimer Ella & Louis zwei Künstler perfekt kommunizieren

Es ist ein Heimspiel: Beim ausverkauften Duo-Konzert von Sängerin Jutta Glaser und Gitarrist Claus Boesser-Ferrari ist das Publikum entzückt. Eindrücke des Abends

Von 
Bertold Planer-Friedrich
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Jutta Glaser Claus und Boesser-Ferrari im Ella & Louis. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Der Club ist ausverkauft. Restlos. Die eine oder andere Karte konnte noch über die Nachrückerliste ergattert werden. Der Saal füllt sich bereits vorzeitig. Wenn die Vokalistin Jutta Glaser und der Gitarrist Claus Boesser-Ferrari im Mannheimer Ella & Louis ein Konzert geben, dann findet dort ein Heimspiel statt. Den beiden sind viele langjährige und treue Fans aus der Region erhalten geblieben, dennoch gibt es auch jüngere Gesichter im Publikum.

Das alles ist im besten Sinne erstaunlich, denn die servierte musikalische Kost ist speziell und nimmt auf den Massengeschmack keine Rücksicht. Der Hausherr Thomas Siffling begrüßt persönlich. Boesser-Ferrari sei schon seit Langem Gast des Hauses. Tatsächlich hat genau diese Besetzung bereits dort gespielt.

Vertonungen von Etel Adnan

Boesser-Ferrari startet mit Flageolett und Saitenknistern, Glaser steuert Windrauschen bei. Kurz darauf erklingen wie aus dem Radioäther gezogene Klangfetzen. Die Zutaten dafür sind Stimme, Akustikgitarre und ein paar elektronische Effekte für die Gitarre. Mehr nicht. Boesser-Ferrari nutzt viel Hall, aber auch Spieltechnikeffekte wie Saitenziehen. Er hat sich die Gitarre als Perkussionsinstrument angeeignet und kann so regelrecht auf zwei Instrumente zugreifen.

Das Programm umfasst zum großen Teil Vertonungen von Gedichten der Libanesischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan. Die Texte beschwören Bilder herauf. Glaser hat unzählige Register zur Verfügung, um das Kopfkino in Gang zu setzen. So setzt sie der Gitarre mal mikrotonale Abweichungen und Ausarbeitungen entgegen, mal hustet sie, quietscht, knurrt, maunzt. Der Vortrag kommt nicht laut daher, es gibt viele Freiräume. Oft muss das innere Ohr der Zuhörerin und des Zuhörers die Musik in der eigenen Imagination noch vervollständigen. Wieso das an diesem Abend so gut funktioniert, ist ein wahres Mysterium.

Nachdem das erste Set am Ende mit Slide-Gitarre und Gejodel im amerikanischen Stil die Wortbilder Adnans vom Mount Tamalpais illustriert und Glasers Gegluckse und Geknarze vielen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat, sind sich Glaser und Boesser-Ferrari bei der Ansage zum zweiten Set uneinig, ob es relaxed oder unrelaxed weiter gehen soll. Das ist aber nicht von Belang, denn die beiden verstehen sich im wahrsten Sinne des Wortes blind, können über lange Strecken auch mit geschlossenen Augen musizieren und kommunizieren dennoch intensiv über die Musik. Scat-Gesang Glasers wird mit parallelen Melodien auf der Gitarre komplettiert, Boesser-Ferrari wechselt zu reiner Perkussion, während Glaser improvisert.

Entzücktes Publikum

Wenn Glaser schließlich nur noch Text rezitiert und Boesser-Ferrari pausiert, wird klar, wie gebannt der Club der Künstlerin und dem Künstler zuhört. Lange intensive Pausen werden als meisterhafte Zeremonie aufgeführt. Ein Tanz aus Estland führt zur Erheiterung der Gemüter, wenn Glaser dazu knödelt und dödelt. Das Publikum ist entzückt.

Für die obligate Zugabe packt Boesser-Ferrari den E-Bow aus, so dass der Geräuschpegel nach viel Innerlichkeit und Pianissimo plötzlich ungeahnt heftig ausfällt. Dabei bleibt es aber nicht, denn das Intro geht in eine Interpretation des hymnischen Jim Pepper Titels „Witchi-Tai-To“ über, der dem Publikum zum Ausgang in den Herbstabend noch einen schönen Ohrwurm mitgibt.

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