Eigentlich hat in Heidelberg alles mit jungen Menschen angefangen. Oder damit, dass zu wenige von ihnen in die literarischen Lesungen des Deutsch-Amerikanischen Instituts kamen. Während DAI-Direktor Jakob Köllhofer sich nämlich darüber den Kopf zerbrach, stieß er in New York auf etwas Neues: den Poetry Slam - ein frisches Format der Literatur, das es spielend schaffte, auch Jüngere zu begeistern. So kam der Slam vor 17 Jahren nach Heidelberg.
Seitdem erfreut er sich einer stetig wachsenden Szene in der Region. "Auf dem Slam-Atlas sind wir New York", sagt Köllhofer in seiner Eröffnungsrede zu den 16. Deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften und meint es so. Bis zum 17. November treten 200 Slammerinnen und Slammer an 10 Orten an. Darauf, dass nach Hamburg 2011 nicht etwa Wien oder Zürich, sondern Mannheim und Heidelberg als Austragungsorte gewählt wurden, könne man zu Recht stolz sein.
Schließlich aber geht es los mit der Eröffnungsshow, die - wie die Moderatoren Karsten Hohage und Philipp Herold informieren - nicht unter Wettkampfbedingungen stattfindet und so zeitlich wie stilistisch mehr Freiräume lässt. Die hätte Nektarios Vlachopoulos eigentlich gar nicht nötig. Der amtierende deutsche Meister aus Mannheim begeistert mit einem jeder Wettkampfregel standhaltenden Liebesgedicht, das als literarische Zeitreise vom sonnigen "herzelieben vrouwelin" bis in die todesschwangeren Tiefen barocker Sonettdichtung reicht. Und er ist nicht der Einzige, der an diesem Abend überzeugt.
Das Konzept des Schmetterlingseffekts führt Volker Strübing, deutscher Meister von 2005, ad absurdum. Auch die Teamsieger des letzten Jahres stehen auf der Bühne. Unter dem unverfänglichen Titel "Ey, ja, cool, Art!" setzt sich das Team Totale Zerstörung mit viel Witz für mehr Kunst und Niveau im deutschen Gangster-Rap ein und stellt rappend fest, dass man sich irgendwie besser fühlt, wenn man die Folgen alkoholbedingter Übelkeit im Zweifelsfall einfach als Performance-Art verkauft. Mission erfüllt!
Neben den deutschen Schwergewichten des Poetry Slam haben es auch internationale Vertreter der Szene nach Heidelberg geschafft. Der 20-jährige Harry Baker etwa, der 2011 nicht nur in Großbritannien zum Meister, sondern dieses Jahr gar zum World Slam Champion gekürt wurde. Mit seinem ersten Beitrag in gebrochenem Deutsch erntet er viele Lacher. Sein zweiter Text "Paper People", in dem er eine Welt papierner Menschen erschafft, scheint das Publikum zeitweise mit zungenbrecherischen, schwer verständlichen Formulierungen abzuhängen.
Gäste aus Chicago
Leichter fällt das Zuhören beim Speakeasy Poetry Ensemble aus der Geburtsstadt des Slam. Die vier Chicagoer beeindrucken mit einer gesten- und geräuschreichen Betrachtung der Machtlosigkeit des Menschen vor der vergehenden Zeit. Theresa Hahl, Hessen-Meisterin von 2011, beschließt die Show - ein unterhaltsamer Auftakt, mit dem die Organisatoren Frank Habrik und Kathrin Rabus mehr als zufrieden sein können. Am Ende stehen die beiden Moderatoren auf der Bühne und sagen letzte Dankesworte. Im Hintergrund schwillt passend die Filmmusik von Ridley Scotts "Gladiator" an, als wollte sie sagen: es ist so weit - die Spiele können beginnen.
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