Kunst - Die Heidelberger Sammlung Prinzhorn beschreibt die Entstehung eines legendären Buches

Vom Urgrund der Kunst

Von 
Christmut Präger
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Hans Prinzhorn (1886-1933), Psychiater und Kunsthistoriker, veröffentlichte sein Buch "Bildnerei der Geisteskranken" im Jahr 1922. Anlässlich der jetzt erschienenen siebten Auflage richtete der Leiter der Heidelberger Prinzhornsammlung, Thomas Röske, nun die Ausstellung "Prinzhorns Buch" ein - und zeigt etwa 70 der über 180 Werke der Sammlung im Original, die Prinzhorn in seiner Publikation abgebildet hatte.

Im Jahr 1919 war Prinzhorn von seinem Klinikdirektor beauftragt worden, eine Lehrsammlung von künstlerischen Arbeiten Geisteskranker aufzubauen. Für das Buch entwickelte der Assistenzarzt ein "Schema der Gestaltungstendenzen", das von "ungeordneter Kritzelei" bis zu "symbolischer Bedeutsamkeit" reichte.

Prinzhorn ging es darum, die gestalterische Kraft der Patienten zu dokumentieren, denn er betrachtete diese "Bildnereien" als "Urgrund der Kunst" - im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, die in den Bildern lediglich Symptome einer Krankheit erkennen wollten. Sein Buch zeigte auch außerhalb der Ärzteschaft eine große Wirkung, die Nachfrage machte bereits 1923 eine zweite Auflage erforderlich. Bei Künstlern, die nach den "Quellen der Kunst" suchten und suchen, sorgen diese besonderen Bilder bis heute für intensive Diskussionen. Im Frankreich der 20er Jahre avancierte die Publikation sogar zur "Bilderbibel der Surrealisten", wie sie Röske nennt, die im Irrationalen, im Traumhaften und Unterbewussten die Grundlagen der Fantasie suchten.

Gegenstandsloses Aquarell

Dass selbst der unvoreingenommene Wissenschaftler Prinzhorn dem Zeitgeist verpflichtet war, demonstriert das erste Exponat dieser sehenswerten Ausstellung, ein vor 1920 entstandenes, gegenstandsloses Aquarell des Jakob Hürtter. Prinzhorn bezeichnete diese Arbeit als "fast ein Nichts an Gestaltung", wogegen uns dieses Blatt mit seinen gestischen Pinselstrichen und schnellen Tupfern heute als ein Vorläufer der informellen Kunst der 50er Jahre erscheint.

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