Gespräch

Volkslieder-Festival in Mannheim: Missbrauch im Dritten Reich wirkt noch nach

Sängerin und Geigerin Gudrun Walther erklärt, was am 18. Februar unter dem Motto "Kein schöner Land" im Capitol zu hören ist

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Begeisterte Volksmusik-Interpretin: Gudrun Walther ist am Sonntag mit ihrem musikalischen Partner Jürgen Treyz im Mannheimer Capitol zu hören. © Eva Giovannini

Die Vorderpfälzerin Gudrun Walther geht erstmals mit dem von ihr mitbegründeten Volkslieder-Festival „Kein schöner Land in dieser Zeit“ auf Tournee - am Sonntag, 18. Februar, ist sie mit ihrem Duo-Partner Jürgen Treyz sowie den Gruppen Die Grenzgänger und Bube Dame König im Mannheimer Capitol zu hören. Mit Musikantenstadl oder fernsehoptimierter Blasmusik hat das wenig zu tun, wie die Sängerin und Multiinstrumentalistin im Gespräch erklärt.

„Wir werden Lieder aus dem gesamten Bundesgebiet singen - und darüber hinaus, denn manche der Stoffe kann man in ganz Europa finden“, sagt Walther. Die ältesten Texte reichten bis ins 15. Jahrhundert zurück, zum Beispiel die „Ballade von den zwei Königskindern“, die neuesten stammten aus dem 20. Jahrhundert. Musikalisch sei alles von der Überlieferung bis zur Neubearbeitung dabei.

Von „Wenn alle Brünnlein fließen“ bis "Die Gedanken sind frei"

Volkslied definiert die in Bockenheim und Großkarlbach aufgewachsene Musikerin wie folgt: „Es kann ein Lied sein, dessen Urheber schon nicht mehr rück zu verfolgen ist, also ‚anonym’ oder ‚traditionell’. Welches aber die Zeiten überdauert hat und nach wie vor bekannt ist.“ Dazu zählen für sie Lieder wie „Wenn alle Brünnlein fließen“, oder „Wie schön blüht uns der Maien“. Aber es gebe auch Volkslieder, die eine jüngere Vergangenheit haben und trotzdem ihren festen Platz im kollektiven Liedgedächtnis.“ Etwa „Die Gedanken sind frei“ oder „Kein schöner Land“.

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Aus der Kategorie der traditionellen Lieder gebe es noch einen großen Schatz an Unbekanntem, das zu uns spräche: „Zum Beispiel das Lied vom ,Wacker Mädchen’, welches eine für seine Zeit recht emanzipatorische Sichtweise der Dinge hat. So etwas spricht mich natürlich sofort an“, erklärt die klassisch ausgebildete Musikerin, die während ihrer Studienzeit in Heidelberg und dann zwei Jahre in der Mannheimer Neckarstadt gelebt hat. Hier pflegte sie einen illustren musikalischen Freundeskreis. Inklusive Kollaborationen im Spektrum zwischen Staatsphilharmonie und Söhne Mannheims.

Sonderfall „German Folk“

Interessanterweise wissen selbst Musikbeflissene kaum, welche Art von „German Folk“ vor Jahrhunderten in einer Region wie der Kurpfalz gehört wurde. Im Unterschied zu Ländern wie Frankreich oder Irland, mit deren Volksmusik Walther auch aufgewachsen ist, fristet Volksmusik hierzulande in vielen Gegenden abseits der Chormusik allenfalls ein Nischendasein. Das führt Walther unter anderem auf den Zweiten Weltkrieg, das Dritte Reich und die Instrumentalisierung vieler Lieder durch die Nazis zurück: „Das spielt schon eine große Rolle, wieso viele bei diesem Thema erst einmal zurückzucken.“

„Eine Hoch-Zeit der Volkslieder gab es eigentlich gar nicht, sie sind ja deswegen Volks-Lieder, weil sie schon immer gesungen wurden. Aber: In der Zeit vor Radio und Musik-Streamingdiensten hat man sicher mehr gesungen, einfach weil man Musik noch nicht immer und überall konsumieren konnte.“ Das sei aber nur ein jüngeres, etwa 75 Jahre langes Kapitel in der Geschichte des Volksliedes - „während einige der Lieder, die wir beim Festival singen, fast sechs Jahrhunderte überdauert haben, in denen sie von Mund zu Ohr weitergegeben wurden! In dieser Zeit wurde natürlich auch Instrumentalmusik gemacht - diese dann meistens zum Tanz.“

„Es tut sich viel in der Szene für traditionelle Musik!“

Dazu gebe es viele interessante Quellen, handschriftliche Sammlungen von Tanzmusikern und Kapellmeistern aus dem gesamten Bundesgebiet, die in den letzten 15 Jahren digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien. „Es tut sich viel in der Szene für traditionelle Musik!“

Walther betont, dass die Kompositionen von Bach, Beethoven, Schubert und anderen „Weltstars“ nicht einfach aus dem Nichts gekommen seien: „Auch sie waren von Musik umgeben, und diese Musik stand Pate bei der Geburt der ,Kunstmusik’ - und das war die Tanzmusik von damals. Selbst ihre Rhythmen und Tanzbezeichnungen wie Menuett, Polonaise, Gigue oder Bourrée fänden sich noch in der Barockmusik - bevor dann die Sinfonie mit ihren Sätzen diese abgelöst hätte.

Beitrag von Hannes Wader, Reinhard Mey und Konstantin Wecker

Das Folk-Revival der 1970er Jahre mit Hannes Wader, Reinhard Mey, Konstantin Wecker und anderen „Volkssängern“ habe einen großen Beitrag geleistet, viele Lieder vor dem Vergessen zu bewahren. Aber es war nicht genug, um wieder ein völlig natürliches Verhältnis zu diesen Liedern herzustellen. „Das wird noch etwas dauern, und dazu braucht es vielleicht auch noch eine oder zwei Generationen.“

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In Irland und anderen europäischen Ländern sehe man sehr gut, dass Volksmusik auch für die Jugend extrem attraktiv ist. „Da wird hoffentlich Deutschland auch aufholen - der Grundstein ist auf jeden Fall gelegt, es gibt tolle Kurse für Jugendliche und dieses Jahr werden wir zum ersten Mal mit einem größeren Projekt Jugendarbeit betreiben." Mehr dazu findet man  unter jugendfolkorchester.de.

Musikalischer Mannheimer Freundeskreis

An ihre Heidelberger und Mannheimer Zeit erinnert sich Gudrun Walther gern: „Damals begann ich, als freiberufliche Musikerin zu arbeiten, und war Teil eines großen, genreübergreifenden Freundeskreises in der Mannheimer Musikszene: Von der klassischen Pianistin bis zur Jazz-Saxofonistin, vom Ska-Gitarristen bis zur Kuba-Percussion-Connection, vom Studio-Produzenten bis zum Saz-Spieler war alles dabei.“

Da bleibe es natürlich nicht aus, dass man sich gegenseitig unterstütze, sich Jobs vermittele, Anfragen weiterreiche - „und so kam es zu vielen wunderbaren Kollaborationen. Ich verdanke dieser Zeit sehr viel - ohne diese Freunde und Kontakte wäre mein musikalischer Kosmos wesentlich kleiner geblieben! Insofern wird Mannheim immer einen besonderen Stellenwert für mich haben, mit viel Dankbarkeit und etwas Nostalgie. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.“

Info: 18. Februar, 19 Uhr, Capitol Mannheim (ab 29,40 Euro). Mehr unter

capitol-mannheim.de

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