Dieser Mann lässt Wälder wachsen, ohne einen Baum zu pflanzen. Aus der trocken-kahlen Erde sprießt das Grün hervor. Der Mann, der das bewirkt, tut also Wunder. Und tatsächlich gilt Tony Rinaudo, Landwirtschaftsexperte hauptsächlich für Zonen heißen Klimas, schon als „Afrikas Mutter Teresa“. Der gebürtige Australier mag es überhaupt nicht, wenn er darauf angesprochen wird. Zum Heiligen hat man ihn bislang ja auch nicht erklärt. Den „Alternativen Nobelpreis“ freilich hat Rinaudo immerhin bekommen - vor vier Jahren.
Mit „Der Waldmacher“ hat Volker Schlöndorff eine Kino-Dokumentation über den Wunderheiler öder, von der Sonne ausgebrannter Landstriche gedreht. Der Regisseur ist mittlerweile 83; dass er sich in doch schon ziemlich reifem Alter eine Werbe-Tour durchs ganze Land zumutet, zeigt sein Engagement für dieses Thema. Noch am selben Abend wird er auch in Heidelberg erwartet, doch zunächst erklärt er einem großen Publikum im Mannheimer Atlantis-Kino - das „im bestgefüllten Saal der letzten Wochen“ Platz genommen hat -, wie die Idee zum Film entstand. Rinaudo habe er zum ersten Mal im kleinen Nebenraum eines Berliner Restaurants getroffen, seine Ausstrahlung sei imposant gewesen. Und so habe er ihm etwas leichtsinnig-spontan das Angebot für die besagte Dokumentation gemacht. Vor auch schon wieder knapp vier Jahren.
Schlöndorff reiste mit Rinaudo in den Niger, wo einst die Geschichte ihren Anfang nahm: Mit seiner jungen Frau kam der Australier 1980 in das Land und lebte dort in einer Lehmhütte. Die Ideale waren groß, die finanziellen Mittel klein. Rinaudo wollte abgeholzte Wälder wiederaufforsten, aber mit den gewohnten Mitteln schlug das immer wieder fehl. Er wollte aufgeben, doch dann erhielt er seine „afrikanische Initiation“ - nachdem er vorher ein Gebet gesprochen hatte. Volker Schlöndorff spricht in seinem Film von einer „Offenbarung“. Denn Rinaudo wurde klar, dass all die abgeholzten Bäume nach wie vor vorhanden waren und es einen Wald unter der Ödnis gab: ein altes, dichtes, bis zu 30 Meter tiefes Wurzelwerk, aus dem sich neue Bäume ziehen ließen.
Der Australier wurde so zum Heilsbringer im Trockengürtel südlich der Sahara. Schlöndorffs Dokumentation bekommt deswegen manchmal einen quasi-religiösen Einschlag, nicht nur, wenn sie zu Beginn in Afrika kursierende uralte Schöpfungsmythen zu bebildern scheint (die übrigens den christlichen durchaus verwandt sind). Aber das ist nicht der Tenor oder Zweck des Films. Man lernt Rinaudo vielmehr als sehr freundlichen, stets feixenden und scherzenden Propheten kennen, der nicht Klinken in Regierungsvierteln putzt, sondern über die Dörfer zieht und um die kleinen Bauern wirbt. Er spricht die Sprache dieser Menschen. Will erreichen, dass sie der Natur ein bisschen „Hilfe für die Selbsthilfe“ gewähren.
Sechs Millionen Hektar wurden so allein im Niger wieder fruchtbar. Doch Rinaudo kann bisweilen auch zum finsteren Propheten werden, wenn er registriert, wie „die Zerstörung wie eine Atombombe vom Zentrum aus“ das Land verwüstet. Dieses Zentrum sind die großen Metropolen, die im höchsten Tempo immer größer werden.
Oder wenn Rinaudo immer noch auf Abholzungen trifft und viele Leute das nur tun, um ein paar Säcke Grillkohle an irgendwelche Scheichs im Nahen Osten zu verkaufen. Volker Schlöndorff nimmt das auf und baut dabei auch Filmausschnitte oder Fotos von Kollegen ein, wie Sebastiao Salgados kolossale Elendsbilder in Schwarzweiß.
Der Meister selbst ist gleichfalls oft im Bild zu sehen (und spricht außerdem den Kommentartext aus dem Off). Aber das dient nicht plumpen Eitelkeiten, wie sie uns inzwischen viel zu viele Dokumentaristen zumuten: Schlöndorff bedient in solchen Szenen nur die kleine Kamera für Großaufnahmen seiner afrikanischen Gesprächspartner.
Auch im Atlantis-Kino geht es ihm nur um die Sache selbst. Schlöndorff erwähnt zwar beiläufig, er sei „seit 55 Jahren Regisseur“ und stamme aus dem Taunus und der Wetterau - aus „Oberhesse“, wie er dialektnah scherzt. Doch Letzteres erwähnt er bloß, um anzudeuten, dass er sich mit Kleinbauern durchaus ein bisschen auskenne. Dann kommt er wieder rasch wieder zurück zu den enormen afrikanischen Problemen. Insbesondere zu Korruption und fehlender Familienplanung. „Schlimmer als die Klimakatastrophe ist die menschliche“, erklärt er noch.
Man dürfe sich die Afrikaner trotzdem nicht als bloße Opfer, bloße Hungerleider vorstellen. Sie seien letztlich „menschlicher als wir“. Vielleicht sogar, trotz allem, optimistischer. Und auch, wer nicht an Gott glaube, könne etwas bewirken. So viel habe er gelernt.
Altmeister
- Volker Schlöndorff kam 1939 in Wiesbaden zur Welt. Für seine Lehrjahre ging er nach Frankreich. Er gehört zu jenen Regisseuren, die nach 1960 Opas (oder Omas) Heimatfilm- und „Sissi“-Kino überwinden wollten. Also zu den Exponenten jener Richtung, die als „Neuer deutscher Film“ auch international berühmt geworden ist.
- Anders als die Kollegen Werner Herzog und Wim Wenders, die einen markanten Personalstil pflegten, passte er sich stets geschmeidig an die Stoffe an. Das half bei Literaturverfilmungen: Am Anfang stand „Der junge Törless“ (1966), 1980 gab es für „Die Blechtrommel“ den Oscar.
- „Der Waldmacher“ läuft weiterhin, jeweils um 16 Uhr, im Mannheimer Atlantis-Kino.
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