Kunst - „Act Up!“-Plakatkunst im Heidelberger Kunstverein / Politische Haltung trifft künstlerischen Anspruch

Über die Schönheit bedruckter Papiere

Von 
Kaepp
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Ein Plakat beklagt, dass im Metropolitan Museum of Art nur fünf Prozent der gezeigten Künstler Frauen sind. © Kunstverein

Lange Zeit schien es verstaubt und vergessen, überflüssig und altmodisch, aber jetzt ist es wieder da: das Plakat! Vor allem das politische Exemplar, das derzeit eine echte Renaissance feiert, gerade zu sehen in einer großen Ausstellung im Heidelberger Kunstverein namens act up! (soviel wie Aufruf zum Protest), in der Schöpfungen aus 60 Jahren und aus vielen Ländern präsentiert werden. Eigentlich meint man zu Beginn, das künstlerische Plakat habe in den 1960er Jahren mit dem Heidelberger Klaus Staeck und der gleichnamigen Edition seinen Anfang genommen. Aber auch heute ist die Nachbarstadt am Neckar durch den Grafiker Götz Gramlich erneut ein Zentrum für Plakatkunst geworden.

Zentrale Wand zu Donald Trump

Sein Festival mit Wettbewerb „Mut zur Wut“, das seit 2010 international agiert und auch im Kunstverein eine zentrale Wand zu Donald Trump bespielt, zeigt die Aktualität des schnöden Papierträgers. Vorab waren schon in der Stadt viele Plakate zu sehen, die auch auf die Dringlichkeit der Europawahl hinwiesen.

Internationale Künstlergruppen werden auch präsentiert wie das „Atelier Populaire“, das 1968 in Frankreich anonym eine Lithografiewerkstatt besetzte und vehemente politische und witzige Plakate druckte, wie zum Beispiel das kleine Plakat „la chienlit c’est lui!“, das sich ganz klar gegen Charles de Gaulle wandte, erkenntlich an der Silhouette mit Militärmütze. Die Bedeutung ist zu einer Beschimpfung des während der Studentenrevolte verhassten Präsidenten geworden.

Auch die „San Francisco Poster Brigade“, die bereits in den 1970er Jahre gegen Nestlé und Monsanto plakatierten, sind hier vertreten in dieser feinen Überblicksausstellung. Nicht fehlen dürfen die Guerilla Girls, die Ende der 1980er Jahre fragten, ob Frauen nur nackt ins Museum kämen, eine sehr provokante These, die heute nur zum Teil mit anderem Ergebnis als vor 30 Jahren beantwortet werden kann.

Auf der Empore die provokanten Plakate von Benetton aus den 1990er Jahren: Viele werden sich an die Großfotos auf Werbeträgern von ölgetränkten Seevögeln oder magersüchtigen Mädchen erinnern, an die Fotos von Bootsflüchtlingen. Was darf Plakatwerbung?, diese Frage steht auch heute im Raum.

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