Mannheim. Richard Wagner und Anton Bruckner sollen sich geschätzt haben. In Bruckners Symphonien sind Spuren der Verehrung gegenüber Wagner auffindbar. In der Letztfassung seiner Dritten hat er sie zwar getilgt; dennoch weht der Geist Wagners auch durch diese 1889 vollendete Version. Im Konzert mit dem SWR Symphonieorchester wurde der Symphoniker dem Schöpfer des musikalischen Dramas gegenübergestellt. Ein Konzept, das unmittelbar einleuchtete.
Schwereloser Charakter
Als eines der wenigen Instrumentalwerke Wagners gilt das Siegfried-Idyll für ein Kammerensemble. Im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens sitzt zwar ein Symphonieorchester, das dieser Musik jedoch einen schwerelosen Charakter verleiht. Die poetischen Einsprengsel von Flöte, Oboe und Klarinette wirken vor der zarten Streicherkulisse fast ein wenig überbetont.
Von Marek Janowski geht indes eine ruhevolle Spannung aus. Die Symphoniker folgen der behutsamen Klangregie des Dirigenten mit sanft ausschwingender Gebärde. Die kraftvollen dynamischen Steigerungen heben bedrohliche Redundanz-Wirkungen auf - in allem liegt der Zauber eines Neubeginns.
Dies wohl auch, was Wagners Verhältnis zu Mathilde Wesendonck betrifft. Die Gedichte jener in leidenschaftlicher Glut entbrannten Dame hat Wagner vertont. In der Orchesterfassung mag man die Lieder auf einer Opernbühne für geeignet befinden, zumal sie mit Anja Kampe auf eine Sopranistin treffen, die in Bayreuth und darüber hinaus eindrucksvolle Rollenporträts geliefert hat.
„Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder“: Wesendoncks romantisch verklärten und von Wagner mit zärtlichem Bekenntnis veredelten Poem über ein himmelwärts strebendes Gemüt verleiht Anja Kampe ein farbenreiches Timbre, das den zwischen sehnsuchtsvollem Ahnen und Gebetszuversicht angesiedelten Gefühlslagen authentisch Ausdruck gibt. In den Höhenlagen hat sie genügend Kraftreserven, um sich vor dem Orchester zu behaupten.
Die elysische Stimmung des Engel-Liedes wird vom „brausenden Rad der Zeit“ geradezu überfahren; die Sopranistin wechselt hier zwischen einem dramatischen und einem hymnischen Gesangsstil, sie beschließt das Lied in den letzten beiden Versen aber versonnen.
„Tristan“-Stimmung durchzieht die Lieder, das lyrische Ich wird zwar entrückt, aber am Ende öffnet sich dann doch die Gruft, in die alles Sterbliche sinkt. Anja Kampe verleiht diesen Hell-Dunkel-Kontrasten deutliche Konturen.
Für den „Misterioso“-Beginn von Bruckners Dritter wählt Marek Janowski einen sachlichen Einstieg, ohne mystische Attitüde. Hier wird kein Geheimnis gelüftet; stattdessen legt es der Maestro auf eine straffe Steigerung bis zu jenen Unisono-Passagen an, die wie Pfeiler in einer monumentalen Architektur wirken. Durch die romantische Topographie des Adagio-Satzes ziehen Celli und Bässe tiefe Furchen, bevor die Posaunen ihre Herrschaftsansprüche anmelden. Doch immer wieder ist es die Flöte, die dem klanglichen Brausen Einhalt gebietet.
Am Ende der Sturz ins Nichts
Wie verloren fallen die Viertel durch den dritten Satz, doch vor dem finalen Abgrund rettet sie nicht nur Bruckners Modulation, sondern auch das Orchester, das Janowski vor brachialer Exzentrik bewahrt. Den minimal versetzten Einsätzen von Streichern und Bässen fehlt die letzte Präzision, doch mit den strahlenden Trompetenfanfaren erreicht das Konzert seinen unvermeidlichen Höhepunkt. Am Ende stürzen Quart und Quint ins Nichts. Ein vernichtendes Ende - vielleicht aber auch dies, wer es so sehen mag, ein Neubeginn.
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