Donaueschinger Musiktage - Mehr als 10 000 Besucher haben bei dem Festival für zeitgenössische Kompositionen 20 Uraufführungen erlebt

Treffpunkt für Liebhaber schriller Klänge

Von 
Maria Hörl
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Spaltete das Publikum: Alexander Schubert.

© Evy Schubert

Der Solist bricht mitten im Stück ab, wendet sich ans Publikum und erklärt, das Klavier sei kaputt. Ein paar Minuten Wartezeit, die Komponistin richtet etwas am Instrument, und es geht weiter mit "Man sitting at the piano I" für Flöte und Player Piano von Francesca Verunelli.

Der Mann am Klavier ist Querflötist, er wird begleitet von einem selbstspielenden Klavier. Die Klänge sind dissonant, schnelle, schrille Läufe von Flöte und Klavier erklingen durcheinander. Typisch für Neue Musik und für eine Uraufführung in Donaueschingen.

Die Donaueschinger Musiktage sind das älteste und traditionsreichste Festival für Neue Musik mit mehr als 10 000 Besuchern. Zwanzig Uraufführungen und vier Klanginstallationen wurden an vier Tagen präsentiert. Neue-Musik-Liebhaber aus ganz Europa und anderen Ländern kommen jährlich zum Festival, um Neues zu erleben, Hörgrenzen zu erfahren und sich auszutauschen.

Besucher eilen von Konzert zu Konzert, von Klangereignis zu Klangereignis oder lassen das ein oder andere Konzert ausfallen, um sich mit anderen Festivalbesuchern über das Gehörte und neu Erfahrene auszutauschen.

Beispielsweise Musik des Komponisten George Crumb, der Bilder der Maler Paul Klee, Vincent van Gogh oder Salvador Dalí vertont wie in "Metamorphoses, Book I". Eher statische Musik mit Wiederholungen und Elementen des Jazz lieferte Bernhard Lang mit "DW28...loops for Davis". Daneben gab es Werke, die an Flüchtlingssituationen erinnern wie im Streichquartett Nr. 2 des Komponisten Michael von Biel mit dem Solistenensemble Kaleidoskop, in welchem 14 Musiker in einem verschlossenen Lastwagen musizieren. Publikum und Musiker tauschen im Verlauf des Konzerts die Plätze, bewegen sich im Raum, Traditionelles wird hinterfragt und aufgelöst.

Bravo- und Buhrufe

Die Performance "Codec Error" für Schlagzeug, Kontrabass, Lichtregie und Elektronik von Alexander Schubert wurde der übermäßigen Lautstärke und des Stroboskoplichtes wegen von manchen Zuschauern als Zumutung empfunden. Es gab Buh-Rufe, aber auch Bravo-Rufe. Dem Komponisten ging es im Stück - wie von ihm im 378-seitigen Programmheft (!) beschrieben - um Wahrnehmungen, digitale Repräsentation und digitale Fehler.

Mit Tiefgang war das Stück "My mother was a piano teacher [...]" von Martin Schüttler für Fernensemble und Moderatorinnen, in dem es um Musiker-Identitäten, Entwicklung von Identität und deren Veränderung ging. Biographische Interviews von den Musikern wurden vorgetragen, Videosequenzen der einzelnen Musiker beim Üben in kleinen Räumen gezeigt.

Kritisch von Teilen des Publikums gesehen wurde "The News in Music" des Komponisten Thomas Meadowcroft. Das Problem: zu viele wohlklingende Klänge für die Donaueschinger Musiktage, als sei man im Kino oder in der Werbung. Der Komponist kritisiert damit vermutlich die Musik in den Medien, die Austauschbarkeit der Harmonien, Klänge und Moderationen.

Freie Autorin

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